Angst vor Akzeptanzproblemen

■ Wieso schweigen die Grünen zu Borttschellers Drogenpolitik? Die taz fragte nach bei der grünen Sozialpolitikerin Karo Linnert

In bester Vorwahlkampfmanier lobte Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) jetzt die „erfolgreiche repressive“ Bremer Drogenpolitik. Die Grünen hüllten sich in Schweigen. Wir fragten die grüne Sozialpolitikerin Karoline Linnert, auf Spitzenplatz drei der grünen Wahlkampfliste, nach den Gründen.

taz: Wieso kam kein grüner Woderstand?

Karoline Linnert: Wir sind der Meinung – und das empfehlen wir auch Herrn Borttscheller – daß man das Drogenthema aus dem Wahlkampf heraushalten sollte. Drogenpolitik zur persönlichen Profilierung schadet den Betroffenen, weil auf ihrem Rücken Machtspielchen ausgetragen werden. Und daran beteiligen wir uns nicht.

Wo bleibt dabei die grüne kritische Position?

Wir haben in der Vergangenheit eine Drogenpolitik gemacht, die dem Thema gerade seinen gruseligen-pressegeeigneten Mythos nehmen sollte. Es gibt eine kontinuierliche Position, es gab Anhörungen zum Thema – und das wissen auch viele Leute.

Aber Politik läuft über Medien, nicht nur über inner circle.

Die grüne Sozialpolitik steht – auch durch meine Person – für einen sehr parteilichen Einsatz für Randgruppen. Dazu gehört aber auch, daß ich sie nicht für meine persönliche Profilierung mißbrauche. Wir brauchen eine Drogenpolitik der Vernunft und Ruhe.

Warum? Wo ist die Opposition?

Unsere Opposition besteht auch darin, daß wir gerade nicht jeden Tag über Druckräume reden. Wir haben mit der geforderten Unterbringung von Drogenabhängigen in der eigenen Wohnung sehr wohl Opposition gemacht – gegen eine Regierungspolitik, die weiterhin auf aussondernde Angebote setzt.

Die Drogenhilfeeinrichtungen sind jedoch enttäuscht von den Grünen, gerade weil sie für Bremen keine Gesundheitsräume fordern.

Wir sind nicht der verlängerte Arm der Drogenhilfeträger. Sie sind eben einfach nicht einverstanden damit, daß wir einen klaren wohnungspolitischen Schwerpunkt setzen.

Und warum keine Gesundheitsräume? Schließlich konsumieren viele – selbst mit eigener Wohnung – auf der Straße.

In Bremen müßte man fünf davon einrichten, um Sogwirkungen zu vermeiden. Dann kostet der Betrieb ungefähr fünf Million Mark – soviel wie das gesamte Drogenbudget. Dann muß man Standorte finden. Wenn jetzt gesagt wird, daß die Grünen keine Druckräume wollen, dann sage ich: Es gibt sehr große Akzeptanzprobleme bei den Anwohnern. Ich will aber keine Drogenpolitik, die ohne Einverständnis der Bevölkerung agiert. Das sieht man doch am Viertel, wo selbst harmlose Hilfsangebote geschlossen werden mußten.

Also machen die Grünen Drogenpolitik im Interesse der Anwohner?

Die These stimmt nicht, daß Druckräume per se im Interesse der Betroffenen sind. Ein Drogenabhängiger besorgt sich 200 Mark an Mitteln für seine Sucht. Aber ihm ist nicht zuzumuten, zu Hause oder im Musikklo einen Druck zu machen. Das geht so nicht. Ich meine, daß Drogenabhängige sich ihren Druck auch so machen können, daß sich die Öffentlichkeit nicht darüber empört. Sie brauchen gerade Angebote, um sich aus der Drogenszene zu entwickeln.

Es wird aber immer eine bestimmte Gruppe geben, die das nicht schafft und dann unter unhygienischen Bedingungen und Polizeidruck irgendwo drücken muß. Warum nicht wenigstens einen Raum, um safer use zu üben?

Wenn es in Bremen auch nur einen solchen Raum gäbe, ballte sich dort die ganze Szene. Wir hatten aber damals politisch beschlossen, die Drogenhilfe in Bremen zu regionalisieren.

Bei den Modellvergaben von Heroin an Schwerstabhängige, die die Grünen immerhin „prüfen“ wollen, gäbe es jedoch auch Anlaufstellen?

Wenn man Heroinvergabe wirklich macht, muß man das natürlich an mehreren Orten anbieten. Die Leute würden dreimal am Tag kommen, und das wäre auch ein Kommen und Gehen, allerdings an einem akzeptierten Ort wie z.B. einem Krankenhaus.

Und wo ist dann der Unterschied zu Gesundheitsräumen?

Es wird große Durchsetzungsprobleme bei der Bevölkerung geben. Außerdem wird der Personenkreis, mit dem jetzt Druckräume begründet werden, am ehesten derjenige sein, der dann Heroin in einem Modellversuch bekommen würde. Da muß man die Heroinfrage also zuerst klären. Und diese Frage ist sehr kompliziert: Wer bekommt z.B. weiter Methadon? Wer Heroin? Bremen hat einen Spitzenplatz bei der Methadonvergabe und hat sich zur Regionalisierung entschieden. Deshalb muß man genau gucken, wie die Kommune in dieses System weitere Hilfen integriert. Fragen: Katja Ubben