„Oft leiden wir mit den Leuten mit“

■ Die „Investorenleitstelle“ zieht nicht die großen Fische an Land, sondern hilft Kleinunternehmen

Manchmal kommen seltsame Typen. Mit dubiosen Anliegen. So wie die russischen Geschäftsmänner, die nach Fördermitteln im Lebensmittelbereich fragten und von denen einer später im Gefängnis landete. Manchmal kommen verzweifelte Leute, die restlos verschuldet sind.

Doch meistens folgen mittelständische und Kleinunternehmer und Existenzgründer dem Schild zur „Investorenleitstelle“. Es weist in der Senatsverwaltung für Wirtschaft den Weg zu einem Büro, das Hilfe verspricht: Vier Frauen und zwei Männer bieten ihren kostenlosen Service bei der Suche nach einem Standort, der Vermittlung eines Bankkredites, dem Erwerb eines Grundstücks oder einer Baugenehmigung an. Sie verstehen sich als Vermittler zwischen Unternehmern und Genehmigungs- und Planungsbehörden, als Finanzberater und Koordinatoren. „Lotsen im Behördendschungel“ werden sie genannt. Vor etwa zweieinhalb Jahren wurde die bundesweit einzige Anlaufstelle gegründet, die der Senatswirtschaftsverwaltung angegliedert ist. Zu ihren Partnern gehören unter anderem die Industrie- und Handelskammer, die Bezirksämter und die Investitionsbank Berlin. Galt anfangs noch die Vorgabe einer Investitionssumme von mindestens fünf Millionen Mark, hat man sich bald von dieser hohen Grenze verabschiedet. Kathrin Kanzler-Tullio, auf deren Visitenkarte in deutsch bescheiden „Referentin“ und in englisch „Investor Assistence Office“ steht, faßt ihre Klientel weit: „Wir sind Ansprechpartner für alle.“

Dazu gehört der türkische Imbißbetreiber mit sieben Angestellten, der wegen eines auslaufenden Mietvertrags einen neuen Standort sucht, ebenso wie die Wäschereibetreiberin, die zum Ausbau ihrer zu DDR-Zeiten eröffneten Wäscherei einen neuen Standort braucht, weil Waschen und Bügeln im Mehrschichtbetrieb an einem Wohnstandort nicht möglich ist.

Das sind die Fälle, wo die Mitarbeiter der Investorenleitstelle gerne tätig werden: Es geht zwar nicht um millionenschwere Investitionen, dafür aber um die Sicherung von Arbeitsplätzen und Existenzen. Der Imbißbetreiber bekam nach Einschaltung der Investorenleitstelle, die Gespräche mit dem Stadtplanungsamt führte, eine Standortgenehmigung für seinen neuen Imbiß, der ihm anfangs mit Hinweis auf die hohe Imbißdichte am neuen Platz verwehrt worden war. Der Wäschereibetreiberin wurde mit einem Konzept für die neue Wäscherei, der Formulierung von Anträgen, einer Liste mit den nötigen Unterlagen und der Vermittlung von Bankkontakten geholfen.

Verkündete die Investorenleitstelle anfangs noch Zahlen von gesicherten und geschaffenen Arbeitsplätzen und zum Gesamtvolumen der Projekte, halten sich die Mitarbeiter damit mittlerweile zurück. Denn nicht jedes Projekt wird auch wirklich umgesetzt. Und dann gibt es auch Fälle, wo die Mitarbeiter nichts machen können. Wie bei dem Investor, der für einen Gastronomiebetrieb in einem Innenhof eines Mietshauses zehnmal so viele Sitzplätze wie beantragt installieren wollte. Aussichtslos sind auch Fälle, bei denen Hilfesuchende meinen, die Investorenleitstelle vermittele Geschäftspartner oder Mieter. „Wir sind keine Türöffner“, sagt Kathrin Kanzler-Tullio. Tragisch wird es, wenn die Hilfesuchenden zu spät kommen. Dann sind die Mitarbeiter der Investorenleitstelle schon mal mit Selbstmorddrohungen von Besuchern konfrontiert. „Oft leiden wir mit den Leuten mit“, so die Referentin. „Aber wir können nicht 100.000 Mark aus der Schublade ziehen.“

Meistens geht es in der Investorenleitstelle ums liebe Geld. Von den bisher bearbeiteten 454 Anliegen drehte sich über ein Drittel um Finanzprobleme – hauptsächlich aus dem Dienstleistungsbereich, gefolgt von der Industrie, dem Fremdenverkehr und der Gastronomie. Bei bisher bearbeiteten Projekten handelte es sich größtenteils um die Sicherung von Standorten. 123mal half die Investorenleitstelle, Standorte zu sichern, 121mal bei Neuansiedlungen, 78mal bei Existenzgründungen. Der Rest sind Verlagerungen innerhalb der Stadt, Erweiterungen oder Projektentwicklungen.

Ende vergangenen Jahres sorgte eine Nachricht aus Amerika für große Beunruhigung in der Investorenleitstelle. Als Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) anläßlich des ersten Jahrestages der Bewag-Privatisierung bei deren Mehrheitsaktionär Southern Energy in Atlanta weilte, verkündete der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Berlin GmbH, daß ab Ende dieses Jahres ein „Berliner Investment Center“ die Ansiedlung von Firmen nach Berlin koordinieren soll. Doch aus der Angst, von einer Public-Private-Partnership verdrängt zu werden, ist mittlerweile Zuversicht geworden. „Das ist eine Komplettierung des bestehenden Angebotes“, sagt Kathrin Kanzler-Tullio. Die Investorenleitstelle soll weiterhin schon bestehende Unternehmen und Existenzgründer betreuen, im „Investment Center“hingegen alle Informationen über den Wirtschaftsstandort Berlin zusammenlaufen. Potentielle Investoren sollen in einem weitverzweigten Datennetz Informationen über mögliche Standorte bekommen, von Arbeitslosenzahlen über Grundstückspreise bis zum Schienenanschluß. Denn den Anschluß will keiner verpassen. B. Bollwahn de Paez Casanova