Gammelnder Zwieback?

■ Wahrheit-Tester testen neue Produkte. Heute: das TK-Zweiminutenrühreibrot

Endlich eine neue, geniale Gourmet-Création aus dem Maggi-Kochstudio für die Fans von Schnell- und Fertiggerichten, ein Produkt für die Generation „aufreißen, reinbeißen, fett werden“: Seit kurzem liegen die bunten Pappschachteln der „Snack it“-Kurzmahlzeiten in den Tiefkühlregalen der Supermärkte

Das wohl faszinierendste Angebot in diesem Sortiment „für Leute mit viel Geschmack und wenig Zeit“ ist das tiefgefrorene Rühreibrot. Die Kochanleitung, in großen Buchstaben auf die Packung gedruckt, verspricht: „Knusprig. Zwei Minuten in der Mikrowelle – 20 Minuten im Backofen.“ Da kann selbst bei einem begnadeten „Ich lasse sogar Wasser anbrennen“-Kochprofi nix schiefgehen.

Aber wir wollen nicht ungerecht sein. Es geht hier nämlich um ein hochspezialisiertes High-Tech-Nahrungsmittel für unsere Bildungs- und Wohlstandseliten, die alles haben: Haus, Pferd, Reitlehrerin – nur keine Zeit. Die Singles des ausgehenden 20. Jahrhunderts residieren in verglasten Bürotürmen, schieben von morgens bis abends Fondsmillionen um den Globus und nach einem harten Arbeitstag eben gerne ein Rühreibrot in die Mikrowelle. Bedenkt man, welche Summen sich – global gesehen – innerhalb von zwei Minuten verdienen lassen, ist das schon ein regelrechter Luxus.

Allerdings zeigt das Rühreibrot auch eine bedenkliche Entwicklung auf. Werden diese Menschen in zehn Jahren überhaupt noch in der Lage sein, eine Mandarine zu pellen, sich anzuziehen oder ohne fremde Hilfe Pipi zu machen? Oder wird die Abhängigkeit so weit gehen, daß wir eines Tages mit großen Augen vor der Mikrowelle sitzen, in der ein Tiefkühl-Spiegelei verzehrfertig brutzelt, und uns fragen, wie zum Teufel die Ökotrophologen-Tüftler das nun wieder hingekriegt haben?

Noch ist die Forschung leider nicht soweit: Bekanntlich explodieren rohe Eier, wenn sie Mikrowellen ausgesetzt sind – aber auch an diesem Problem wird sicherlich schon längst gearbeitet.

Dies alles ging mir in den zwei Minuten durch den Kopf, in denen mein modernes Küchengerät das Rühreibrot zubereitete. Beim ersten Biß bemerkt man zunächst die frappierende Ähnlichkeit mit einem angegammelten Zwieback. Aber was dem als grün-flaumiger Schimmelteppich abgekratzt würde, ist der angebliche Eibelag. Der Packungsaufdruck verrät dem Zweifler jedoch, daß es sich tatsächlich um ein Nahrungsmittel handelt – allerdings um eines, das man wohl problemlos mitsamt Pappschachtel essen könnte, ohne Genuß oder Nährwert wesentlich zu beeinträchtigen.

Das Ergebnis des Tiefkühlrühreibrottests lautet also: Zeit ist gleich Geld, aber Zeit ist nicht gleich Geschmack – oder, populärer formuliert: Wer den ganzen Tag mit dicken Scheinen raschelt, soll ruhig auch abends Pappe fressen! Barbara Geschwinde