Workwear für den Arbeitsdienst

„Frankfurt Macht Mode 1933–1945“ – als in der NS-Zeit die Mode ideologisch gleichgeschaltet werden sollte. Die aktuelle Sonderausstellung des Historischen Museums  ■ Von Nike Breyer

Der Titel der aktuellen Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt am Main schreibt das Verbum Macht groß. Es kann also fakultativ auch als Substantiv gelesen werden – und das ist mehr als nur ein typographischer Gag.

Tatsächlich hat Mode, insofern sie, anders als Kleidung, mit Bedeutungen aufgeladen, codiert ist, immer mit Macht zu tun. Als hochsensibles Medium der Kommunikation verhandelt auch sie über Einschluß- und Ausschluß, beispielsweise in Hinblick auf den sozialen Status, und sie artikuliert ästhetisch gefaßt latente Sehnsüchte und Ängste. Doch von 1933 bis 1945 geht es um eine besonders aggressive Form von Macht als politisch-ideologischem Zugriff. Aufzuzeigen, wie sich Mode im Spannungsverhältnis zwischen nationalsozialistischer Ideologie und internationalem Stil behauptete, ist das Anliegen der Ausstellung „Frankfurt Macht Mode“. Denn eine ihrer zentralen Thesen – um es vorwegzunehmen – lautet, daß der Versuch der Frankfurter Stadtregierung, über die Einrichtung eines kommunalen Modeamtes die Mode NS-konform auszurichten und für eigene Zwecke zu instrumentalisieren, letztlich scheiterte.

Allerdings, auf realpolitischer Ebene war der Zugriff der Macht auf die Mode tragischerweise recht erfolgreich. Das läßt sich an der nahezu lückenlosen Enteignung und Vertreibung, teils auch Deportation und schließlich Ermordung jüdischer Geschäftsinhaber und Unternehmer ablesen. „Es war unsere Intention, daß ein wenig erforschtes Kapitel Modegeschichte neu überdacht und der politische Kontext stärker berücksichtigt würde“, sagen die Ausstellungskuratorinnen Almut Junker und Martha Caspers über ihr beispielhaft gelungenes Unternehmen.

Im Zentrum der Ausstellung steht das Modeamt, das 1933 auf persönliche Initiative des damaligen NS-Oberbürgermeisters Friedrich Krebs eingerichtet wurde. Der Nachlaß dieser Institution bildete die Recherchebasis der beiden Historikerinnen; er wurde weiter durch hauseigene Textil- und Fotobestände des Museums ergänzt. Neben originalen Kleidern und Accessoires kann man hier also Fotos, Zeichnungen und Zeitungsausschnitte studieren, komplettiert durch zeitgenössische Texte und Objekte. Ein riesenhafter Schrankkoffer etwa trägt die irritierende Aufschrift: „Modeamt – nicht stürzen“. Thematisch gliedert sich die Schau in drei Bereiche: Geschichte und Tätigkeit des Frankfurter Modeamts, Frauenkleidung im Alltag und Arisierung der jüdischen Bekleidungsindustrie.

Die Leitung des Modeamtes war der aus Wien stammenden Margarete Klimt übertragen worden. Sie stand gleichzeitig der Mode-Klasse an der Städelschule vor, einem ehemals sehr modernen Lehrinstitut für freie und angewandte Kunst. Von Anfang an aber ist der Auftrag des neugegründeten Modeamtes durch widersprüchliche Erwartungen geprägt. Nach Wunsch von Oberbürgermeister Krebs, der sich über Kulturarbeit in der NS-Hierarchie profilieren will, soll es das alte Frankfurter Schneiderhandwerk wiederbeleben und die Stadt langfristig zum Modemittelpunkt Deutschlands machen. Eine Zielvorgabe, mit der Krebs auf ganzer Linie scheitert, da sich Frankfurt nicht gegen konkurrierende Einrichtungen wie die Münchner Meisterschule für Mode und ähnliche Institutionen in Berlin und Hamburg behaupten kann.

Klimt auf der anderen Seite verstand ihre Arbeit im weiteren Sinne als Kunst. Sie verweigerte sich dem saisonalen Rhythmus kommerzieller Kollektionen, und so wurden die „stilbildenden“ Modellkleider weder in Einzelanfertigung für den Gebrauch realisiert noch in Serie gegeben. Dies kollidierte mit den Wünschen des Oberbürgermeisters. Sein weitaus moderneres Konzept von Mode zielte auf eine konkrete Beeinflussung des modischen Konsums durch Schnittmuster und industrielle Produktion. Daß Krebs wiederholt mehr Breitenwirkung einklagte, zeitigte allerdings keine weiteren Konsequenzen.

Ein zeittypisches double-bind prägte nicht nur das Modeamt, sondern alles Modeschaffen jener Zeit. So geisterte einerseits die Idee einer „arteigenen“, einer „deutschen Mode“ durch die Köpfe der Parteifreunde. Andererseits setzte man auf der Führungsebene bewußt auf ein Weiblichkeitsmodell, das den Anschluß an das moderne Europa und die USA suchte. Das hatte propagandistische wie wirtschaftliche Gründe. Die deutsche Modeindustrie mußte ja, um exportfähig zu bleiben, internationale Standards respektieren, wenn nicht mitgestalten.

Dem universellen Dirndl für die weiblichen Volksgenossinnen, von dem die einzige parteiamtliche Frauenzeitung, die NS-Frauenwarte träumte, wurde daher von Magda Goebbels als Ehrenvorsitzender des deutschen Modeamtes in Berlin entgegengehalten: „Die deutsche Frau soll schick sein, schön und klug sein. Der Gretchentyp ist überwunden.“ Dabei wurde das Heimchen am Herd vom Modeamt natürlich nicht gänzlich vernachlässigt, doch die für das Amt bereitgestellten Gelder finanzierten zunächst vor allem zwei Aktivitäten: repräsentative Modenschauen, die einem Publikum aus gehobenen Gesellschaftskreisen vorbildliche Mode präsentieren wollten, und die periodische Herausgabe von hochästhetisch illustrierten Mappen mit stilbildenden Modellentwürfen.

Zu Zeiten kriegsbedingten Materialmangels wendet sich das Modeamt dann allerdings den „neuen Werkstoffen“ Zellfaser, Plexiglas, Zellophan und Fischleder zu, denen man mit neuem Namen und attraktiven Entwürfen den schlechten Ruf als „Ersatz“ auszutreiben versucht. Zeitgleich entworfene Arbeitskleidung, „Workwear“, wie man heute sagen würde, für den Reichsarbeitsdienst und Arbeiterinnen der Waffenindustrie wirkt heute verblüffend modern. Auch sie kam nie zum Einsatz, konnte aber die Kriegswichtigkeit des Modeamtes nachweisen und einen Einzug der Mitarbeiterinnen und Studentinnen zum Arbeitsdienst verhindern. Die 1943 nach Schloß Dietz an der Lahn ausgelagerten 500 Modelle des Modeamtes gingen 1945 verloren.

Historisches Museum Frankfurt, 18. März bis 25. Juli 1999. Katalog 28 DM