Nord-Koreas undiplomatische Diplomaten

■  Die thailändische Regierung verweist sechs nordkoreanische Diplomaten des Landes, die einen in Ungnade gefallenen Kollegen samt Familie in die Heimat entführen wollten. Ein Autounfall wurde ihnen zum Verhängnis

Bangkok (taz) – Entführung, Erpressung, Falschgeld, Drogen: Nord-Koreas Diplomaten sind in der Wahl ihrer Mittel oft nicht zimperlich, wenn es darum geht, die Interessen ihres „Lieben Führers“ Kim Jong Il im Ausland zu vertreten. Nach dem jüngsten Skandal in Thailand platzte der Bangkoker Regierung nun der Kragen: Bis spätestens Freitag, verlangte sie, müssen sechs Angehörige der nordkoreanischen Botschaft das südostasiatische Land verlassen.

Das ist der vorläufige Höhepunkt einer Affäre, die alle Zutaten eines Politthrillers hat. Hauptpersonen sind die ehemalige Nummer drei in der Vertretung Nord-Koreas in Bangkok, Botschaftsrat Hong Sun Gyong, seine Ehefrau und sein Sohn. Tragende Rollen spielen zudem insgesamt zehn nordkoreanische Dunkelmänner, von denen vier extra als Diplomaten aus Singapur und Indonesien eingereist waren. In Bangkok sollten sie einen ganz speziellen Auftrag erfüllen: Die Entführung des Kollegen Hong und seiner Familie.

Begonnen hatte das Drama im Februar: Vorgesetzte beschuldigten Hong, mehrere Millionen Dollar aus Reisgeschäften unterschlagen zu haben. Der 61jährige, der seine Unschuld beteuerte, fürchtete um sein Leben und tauchte unter. Doch er versteckte sich nicht gut genug. Die Herren mit den nordkoreanischen Diplomatenpässen stürmten die Wohnung eines UN-Beamten, bei dem die Hongs untergeschlüpft waren. Sie packten die Familie in zwei Autos und preschten in Richtung laotische Grenze. Im kommunistischen Laos, so ihr Kalkül, würde sie niemand mehr daran hindern, mit ihren Opfern nach Pjöngjang zu fliegen. Doch die Sache ging schief. Nördlich von Bangkok überschlug sich der Minibus, in dem Hong und seine Frau saßen. Unklar ist, ob es zu einem Kampf in dem Wagen gekommen war.

Jedenfalls konnte sich das Ehepaar Hong befreien und bei der thailändischen Polizei um Hilfe bitten. Der Mercedes mit dem gefangenen Sohn allerdings raste davon. Später forderten die nordkoreanischen Diplomaten die Übergabe der Hongs gegen die Freilassung des jungen Mannes. Erst nach tagelangen Verhandlungen zwischen der zunehmend verärgerten Bangkoker Regierung und Vertretern Pjöngjangs ließen die Entführer ihre Geisel an diesem Dienstag frei.

Bei der anschließenden Pressekonferenz verblüffte der 19jährige Hong Won-myong seine Zuhörer. Er sei „kein Verräter“, verkündete er, sondern wolle nach Nord-Korea zurückkehren und „an der Seite meiner 20 Millionen Landsleute für eine große Zukunft kämpfen“. Ob er von seinen Kidnappern zu dieser Aussage gezwungen wurde, ist ebenso unklar wie der wahre Hintergrund der Entführung.

Fest steht: Die thailändische Regierung betrachtet die Machenschaften der Nord-Koreaner seit längerem mit großem Mißtrauen. Und das tut sie aus gutem Grund. Weil die Staatskasse des „Arbeiterparadieses“ leer ist, müssen die Diplomaten nicht nur selbst zusehen, wie sie sich finanzieren – sie sind auch angewiesen, ihrer Heimat dringend nötige Devisen zu beschaffen. Das geschieht häufig auf dunklen Wegen: Immer wieder tauchten in Nord-Korea gedruckte Dollar-Blüten auf, die über Kambodscha nach Thailand und in die Nachbarstaaten geschleust wurden. Die nordkoreanische Fluglinie Koryu fliegt regelmäßig nach Bangkok – über Macau, das mit seinen Casinos zu einer der wichtigsten Geldwaschanlagen Asiens zählt. Pjöngjangs Diplomaten sollen unter anderem Luxusautos nach Thailand geschmuggelt haben und im Drogengeschäft aktiv sein.

Im Februar beschlagnahmten thailändische Polizisten mehr als zwei Tonnen der Chemikalie Ephedrin, die zur Herstellung des Aufputschmittels Amphetamin benötigt wird. Die Fracht hatte einen nordkoreanischen Adressaten. Nach heftigen Protesten der Nordkoreaner mußten Bangkoks Beamte die Ladung zähneknirschend wieder freigeben. Jutta Lietsch