Der Kampf um das wenige Drumherum

■ Am Sonntag spielt die Frauen-Fußball-Nationalmannschaft erstmals in Hamburg gegen China

Zehn Jahre nach der 1:2-Halbfinalniederlage der DFB-Männer bei der Europameisterschaft 1988 gegen die Niederlande findet am kommenden Sonntag erstmals wieder ein Fußball-Länderspiel in Hamburg statt. Ebenfalls erstmals spielt die Frauennationalmannschaft, zu deren Aufgebot die beiden HSVerinnen Tanja Vreden (22) und Toni Schmale (19) gehören, in der Hansestadt. Gegnerin im Wolfgang-Meyer-Stadion an der Hagenbeckstraße wird um 15 Uhr das Team Chinas sein.

Eine Bilanz zu ziehen, fällt Susanne Scharras schwer; zu selten besucht Hamburgs erste Fußball-Nationalspielerin mittlerweile noch Spiele ihrer Kolleginnen. Als die 34jährige dann doch erzählt, fällt das Resümee eher düster aus: „Damenfußball ist immer ein Kampf um das wenige Drumherum gewesen, von den Schuhen bis zum Fahrgeld, und das wird sich auch nie ändern“, lautet das Fazit ihrer fast zwanzigjährigen Erfahrung. Und sie will sich auch mit dem Argument, immerhin hätten ihre zwei Nachfolgerinnen im DFB-Dreß, Tanja Vreden und Toni Schmale, beim HSV schon Vertragsamateur-Verträge unterschreiben können, nicht umstimmen lassen. Peanuts im Gegensatz zu den Männern.

Die Verantwortlichen des SC Hamm hatten für sie nach der Rückkehr vom ersten Länderspiel immerhin einen kleinen Empfang vorbereitet, auf dem sie mit einem Silberteller und einem Paar Fußballschuhen beschenkt worden war. Wenig später dann gab es vom SC Poppenbüttel schon eine Anstellung auf der Geschäftsstelle, um Abwerbeversuche von Bundesliga-Konkurrentinnen zu unterlaufen. Letztlich überwiegen dann aber doch die positiven Erinnerungen, denn schon im nächsten Satz beteuert Scharras: „Ich würde alles noch mal genauso machen.“

Auch ihre frühere Teamkameradin vom SC Poppenbüttel, Beate Wendt, hätte gerne etwas mehr „Drumherum“ gehabt. Schließlich hat sich ein sehnlicher Wunsch der überaus ehrgeizigen Außenstürmerin nicht erfüllen lassen. „Es könnte mich auch mal reizen, bei einem Profi-Klub zu spielen und halbtags zu arbeiten“, hatte sie noch im Dezember 1990, zu Beginn ihrer internationalen Karriere, gehofft. Mehr als der Wechsel 1993 zum Bundesligisten TuS Niederkirchen ist daraus nicht geworden. Eine schwere Knieverletzung beendete ihre Karriere in dem Jahr, in dem die Niederkirchenerinnen Meisterinnen wurden – Beate Wendt gehörte da schon nicht mehr zum Team.

Geändert hat sich im Laufe der Jahre in jedem Fall der Aufwand. Aus dem zweimaligen Training pro Woche und manchmal einer Sonderschicht beim damaligen Hamburger Verbandssportlehrer Ralf Schehr sind für Schmale und Vreden fünf wöchentliche Übungseinheiten allein im Verein geworden. Geblieben ist aber die eher randständige Existenz. Trotz unbestreitbarer Fortschritte – „Aufwandsentschädigungen“, Essen nach den Spielen und Einkleidung – fristet die Frauenfußball-Abteilung beim HSV nur ein geduldetes Dasein und wirkt eher wie ein Verein im Verein. „Wir werden in die letzte Kabine verfrachtet, alle haben Vortritt. Diese Privilegien der Männer finde ich nicht in Ordnung“, kritisiert Toni Schmale.

Susanne Scharras wird sich am Sonntag nach längerer Zeit mal wieder ein Fußball-Spiel ansehen. Auf die Idee, seine Nationalspielerinnen zum Besuch des Länderspiels gegen China einzuladen, ist der Hamburger Fußballverband übrigens nicht gekommen.

Uwe Wetzner

Susanne Scharras (links) bestritt zwischen 1984 und 1987 für den SC Hamm und den SC Poppenbüttel vier A-Länderspiele, Beate Wendt (rechts) 1991 insgesamt neun – davon fünf bei der WM in China – für den SC Poppenbüttel und erzielte dabei ein Tor. Toni Schmale (Mitte links) hat ihr erstes und bisher einziges Länderspiel am 5. Februar 1998 gegen Italien gespielt. Tanja Vreden (Mitte rechts) hat es seit dem 28. Mai 1998 auf fünf A-Länderspiele gebracht und dabei ein Tor geschossen. Fotos: HFV/Wetzner/DFB