Kommentar
: Welches Ziel?

■ Warum die Nato-Luftangriffe kein taugliches Instrument sind

Eigentlich, so heißt es, nimmt Deutschland an keinem Krieg teil. Vielmehr sind wir aufgerufen, „eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen“ (Gerhard Schröder). Die öffentliche Meinung in Deutschland hält sich noch nicht an diese Sprachregelung. Für sie ist es Krieg – „zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs unter direkter deutscher Beteiligung“. Noch einmal taucht das Bild des Krieges als deutsche Apokalypse auf. Um dann zu verschwinden. Zu wessen Gunsten?

Wo man auch gegenwärtig bei den politischen Eliten in Deutschland hinschaut, es herrscht eine merkwürdige Verabredung, das Bombardement militärischer Stellungen in Jugoslawien als zielführend für die Verteidigung der Menschenrechte der Albaner im Kosovo anzusehen. Milošević' Einlenken unter dem Eindruck der Bomben wird einfach unterstellt. Als ob von der schimmernden Wehr der Raketen eine Art unwiderstehlicher Suggestion ausginge. Als ob nicht der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern die Politik die logische Folge der eingesetzten Kriegstechnik gezielter Raketenschläge sei.

Dieser Art von Fetischismus fällt die einzige Rechtfertigung einer militärischen Intervention gegenüber Jugoslawien zum Opfer: der Schutz von Leben und Würde der Albaner im Kosovo. Und je häufiger die deutschen Tornados unversehrt auf ihre Basis in Piacenza zurückkehren, um so mehr wird dies als das eigentliche Ziel des Unternehmens gefeiert werden. Was, wenn Milošević nicht nachgibt? Wie steht es dann um die Chancen jeglichen internationalen Schutzprojekts für die Kosovo- Albaner? Ist trial and error wirklich ein taugliches politisches Instrument?

Rot-Grün ist unter dem Zeichen einer menschenrechtsorientierten Außenpolitik angetreten. Eine solche Politik muß sich zwar den regional sehr unterschiedlichen Erfolgschancen anbequemen, aber sie muß ihrer Grundlage nach unteilbar sein und ihrem Kriterium verpflichtet bleiben. Nur mit dieser Rechtfertigung im Rücken kann sie bei humanitären Interventionen das Prinzip der einzelstaatlichen Souveränität einschränken. Weil es den Luftangriffen an dieser inneren Konsistenz, an der Verbindung von Mitteln und Ziel, fehlt, werden sie ein neues, humanitäres Völkerrecht im Bewußtsein der Menschen nicht stärken. Was bleibt, sind die neuen Bilder des Luftkriegs. Christian Semler