Plus bei Ausbildungsminus

■ Alle anderen westlichen Bundesländer vermelden Plus bei neuen Ausbildungsverträgen / Einziger Ausreißer: Das Minusland Bremen

Bremen bricht Bundesrekord in Sachen Jugendarbeitslosigkeit: Während alle westlichen Bundesländer ein Ausbildungsplus vermelden, liegt Bremen als einziges im Minus. Sogar in Mecklenburg-Vorpommern gab's 1998 im Vergleich zu 1997 mehr Ausbildungsverträge, meldet jetzt das Statistische Bundesamt. „Skandal“ kommentierte gestern nüchtern Katja Barloschky, Geschäftsführerin vom Verband der Bremer Beschäftigungsträger – während die Kammern den Jugendlichen den schwarzen Peter zuschanzten: „Es gibt genug Möglichkeiten, es fehlen nur die Jugendlichen“, meinte Jens Jensen von der Handelskammer.

Nach ersten vorläufigen Ergebnissen gab es in Bremen 1998 ganze 107 neue Ausbildungsverträge weniger – insgesamt 5.418 statt bisher 5.525. Das Bremer Minus von 1,9 Prozent kontert Hamburg mit einem Plus von 2,2, Niedersachsen mit 0,6 Prozent. Die meisten Verträge verlor Bremen bei ArzthelferInnen (Rückgang um 41 Verträge auf insgesamt 568) sowie Industrie und Handel (um 34 auf 3.184). Aber auch im öffentlichen Dienst ging's runter auf 101 (-18) und im Handwerk (-7), errechnete das Bundesamt aus den Meldungen der örtlichen Kammern.

„Wir hatten in der Stadt Bremen ein Vertragsplus wegen vieler Werbeaktionen“, wies der stellvertretende Geschäftsführer der Bremer Handelskammer die Zahlen zurück, „und wir hätten noch viel mehr Lehrstellen vergeben können, aber die waren einfach nicht mit Jugendlichen zu besetzen“. Eine Einschätzung, die indirekt auch die Bremerhavener Handelskammer bestätigt: „Wir hatten sicher Betriebe, die weniger ausgebildet haben“, erklärt eine Vertreterin, „aber es gab auch viele Firmen, die einfach keine Jugendlichen gefunden haben“, heißt es.

Das berichtet durch die Blume ebenso die Ärztekammer: „Wegen der neuen Budgetierung stellen Praxen aus Kostengründeneinfach weniger ein“, so Ausbildungs-referentin Anja Neumann, „aber viele bilden nicht mehr aus, weil sie wiederholt Ärger mit den Jugendlichen hatten.“ Abschließendes Fazit der Kammern: Wegen der konstatierten Bildungs- und Motivationsdezifite der Jugendlichen müßte jetzt eben verstärkt die „Schule“ ran.

Argumente, die Katja Barloschky sauer machen. Natürlich seien bei einigen „echte Defizite da“. Auch das Bremer Bildungssystem sei in der Tat zuweilen katastrophal. Aber oft wollten Arbeitgeber auch gleich die „eierlegende Wollmilchsau“ haben. Für Barloschky ist deshalb klar: Das darf keine Ausrede sein. Bremen habe im Vergleich zu anderen Bundesländern offenbar versagt, den „Strukturwandel verpennt – und das ist ein Skandal“.

Diese Schelte nimmt der Bremer Unternehmens-Präsident offenbar an: Der Wandel zum Dienstleistungssektor würde wohl erst „mittelfristig“ klappen, sagte Ortwin Baum auf Nachfrage. Andere Bundesländer wären da wohl schon „weiter“. In Bremen zum Beispiel sei noch kein einziger Dienstleistungs-Ausbildungsberuf entstanden. „Dafür müssen wir in Zukunft Sorge tragen.“ Gerade in der Informationstechnologie könnten Lehrjobs entstehen, die nicht so hohe Qualifikationen verlangen.

Kurzfristig wollen die Unternehmensverbände jetzt „Aufrufe“ für mehr Lehrstellen machen – so jedenfalls schätzt Baum das Ergebnis der neu startenden Bremer „Bündnis“-Gespräche mit Gewerk-schaftsvertretern und Arbeitssenator Uwe Beckmeyer (SPD) ein. „Enttäuschend“ findet Paul Schröder vom Institut für Jugendberufshilfe das. Sogar durch das Bonner Jugend-Sofortprogramm sei in Bremen noch keine einzige neue Lehrstelle entstanden. Andere Regierungs-Chefs würden Ausbildungsnot dagegen zur Chefsache erklären – die Bremer Großkoalitionäre von CDU und SPD hingegen schweigen.

Katja Ubben