Die Kommunikationslawine rollt

■ Die Mentalität der 70er Jahre im sachlichen Design der 90er: Anja Dirks inszeniert am bat-Studiotheater Michel Vinavers' „Fragen der Einstellung“ schön, aber seltsam undynamisch

„Fragen der Einstellung“ – das klingt nach politisch-moralischer Positionierung. Nach etwas, das man heute tun und haben kann, aber nicht muß. „Fragen der Einstellung“ lautet die raffiniert mehrdeutige Übersetzung von „La demande demploi“, einem Gesprächsdrama des französischen Autors Michel Vinavers aus dem Jahr 1970, das die Regiestudentin Anja Dirks gemeinsam mit David Gieselmann übersetzt und für die Bühne des bat-Studiotheaters inszeniert hat.

Monsieur Fage (Ulrich Cyran) ist gefeuert worden. Eine Katastrophe im Leben des bislang erfolgreichen Verkaufsdirektors und alternden Familienvaters. Mit dem Verlust des Postens drohen auch Sozialprestige und Haussegen zu verrutschen. Fages minderjährige, revolutionär gestimmte Tochter Nathalie (Petra Tauscher) wird schwanger von einem schwarzen Psychologiestudenten, seine Gattin Louise (Catherine Stoyan) drängt ihn, Nathalie zur dezenten Abtreibung nach London zu verfrachten, und schließlich muß Fage sich beim Bewerbungsgespräch mit dem Personalleiter Wallace (Robert Hummel) so gut wie möglich verkaufen. Um „Fragen der Einstellung“ geht es also an zwei Fronten: Dazu hat Michel Vinavers Fages Vorstellungsgespräch und seine familiären Auseinandersetzungen zu einem simultanen Dialogteppich verknüpft, in dem die jeweiligen Situationen kaum zu unterscheiden sind.

Im Zentrum der Bühne steht eine Wand aus milchigem Kunststoff, die sich in Rechtecke unterschiedlicher Größe gliedert. Darauf erscheinen wechselnde Urlaubs- und Familienfotos mit leichtem Gelbstich. Manchmal leuchten die Quadrate auch bloß in starken Farben und verschmelzen den Charme einer 70er-Jahre-Kindheit mit dem sachlichen Design der 90er: als kalte, glatte und schöne Fläche, die das Nostalgische der Erinnerungsbilder bricht. Davor rollt die Kommunikationslawine ohne Punkt und Komma, gegliedert allein von einer Choreographie, die an Filmschnitte und Marionettentheater zugleich erinnert. Die Fangfragen des Personalleiters, der sich buchstäblich aus dem Off in die Familie auf der Bühne drängt, gleiten immer mehr ins Fahrwasser der Intimität, so daß die Vorstellung zur psychotherapeutischen Sitzung gerät.

Doch so klug Anja Dirks Vinavers' Stück auch arrangiert hat – es fällt schwer, sich für Fage, seine Familie und den nur angedeuteten Kontext einer dräuenden Globalisierung mitsamt ihren mentalen Folgen zu interessieren. Die Entwicklung von Figuren und Handlung wird von der Komplexität der Inszenierung völlig aufgesogen, wenn das Artifizielle des Dialogaufbaus sich in der Choreographie, das Artifizielle der Choreographie in der Licht-Installationswand spiegelt. Das ist anfangs ganz erstaunlich und durchweg schön anzusehen, verharrt aber seltsam undynamisch auf dem immer gleichen Intensitätslevel. Vielleicht, weil sich das Theater hier wenig für die Fragen des Konflikts interessiert, sondern vor allem für die der ästhetischen Einstellungen. Eva Behrendt

bat-Studiotheater, Belforter Straße 15, heute, 20 Uhr