„Gespalten“

■ Die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast sieht keine andere Alternative, außer zuzusehen

taz: Wenn Sie das Amt von Außenminister Joschka Fischer innehätten, wären Sie auch für die Bombadierung Jugoslawiens eingetreten?

Renate Künast: Das Spiel will ich so nicht spielen. Ich habe nicht in Rambouillet gesessen. Für mich und für die Grünen sind das schwarze Tage. Ich bin innerlich total gespalten. Grundsätzlich kann es nur pazifistische Lösungen geben. Auf der anderen Seite kann man nicht zusehen, wie Hunderttausende in die Berge getrieben werden, wie Miloevic das Kosovo mit Krieg überzieht.

Wo sind jetzt noch grüne Positionen zu erkennen?

Wir haben als Grüne mit unserem Außenminister gegen die USA durchgesetzt, daß es nicht sofort zu einer Nato-Aktion kam, daß überhaupt und lange verhandelt wurde. Wir haben immer wieder versucht, Rußland mit einzubeziehen. Da haben die kleinen Grünen im Vergleich zu den großen USA doch sehr viel erreicht. Doch Miloevic war nicht bereit, seine Haltung zu verändern.

Können die Bomben der Nato im Kosovo etwas gegen die Vertreibung ausrichten?

Wir können nicht einschätzen, was was verkürzt. Ich weiß nur eines: Zusehen und noch zwei, drei Jahre lang mit Miloevic reden geht einfach nicht.

Die Berliner Grünen entschuldigen sich fast für ihre Position.

Ja, das ist Ausdruck unseres Gespaltenseins. Jahrzehntelang sind wir durch die Welt gelaufen und haben gesagt, wir brauchen andere internationale Instrumentarien. Wir können Sicherheit nicht über Militär herstellen. Und dann steht man am Ende vor so einer Situation. Da leidet jeder auch persönlich. Die Mehrheit der Fraktion sagt schweren Herzens ja. Denn es geht nicht, daß man eine pazifistische Fahne hochhält und keine Antwort auf die Frage gibt, wie geht es den Kosovo-Albanern, die da mit Krieg überzogen werden.

Hat die Friedensbewegung geschlafen?

Die Friedensbewegung und die Berliner Friko haben in den letzten Monaten versagt. Wo war parallel zu Rambouillet die Friedensbewegung? Warum haben sie nicht ihre Kontakte zu östlichen Gruppen aufgebaut und gesagt: „Wir machen jetzt von der anderen Seite Druck auf Miloevic“?

Was passiert, wenn Miloevic nicht einlenkt?

Man kann nicht Politik machen und sich ständig den Untergang vorstellen. Unsere Aufgabe auch in Berlin ist es jetzt, zu gucken, wie kriegt man Leute an den Verhandlungstisch. Rußland muß einbezogen werden.Die Berliner müssen sich jetzt überlegen, ob sie übers Demonstrieren hinaus ihre Kontakte nach Rußland nutzen, um eine Brücke zu bauen. Interview: Annette Rollmann