Eh-Oh gegen bäh

Sie sagen nur „Feidifeidifeidi“, aber manch einer hierzulande findet es gar nicht harmlos, wenn die „Teletubbies“ schon Zweijährigen Fernsehen beibringen sollen  ■ Von Ania Mauruschat

Diana. New Labour. Teletubbies. Diese drei Phänomene bestimmten 1997 jeden englischen Jahresrückblick, vom Guardian bis zur Sun. Ein Jahr nach dem Rinderwahnsinn schwelgte ganz Britanien in der Teletubbie Mania. Über 30 andere TV-Nationen haben Tinky, Winky, Dipsy, Laa-Laa und Po seitdem erobert, und ab Montag sollen die vier pausbäckigen Pummelchen vom Kinderkanal aus nun auch Deutschland bekehren. Eine schwierige Mission.

Denn die BBC-Serie „Teletubbies“ richtet sich an Couchpotatos in Windeln, an sogenannte Fernsehanfänger um die zwei Jahre. Schon die Nennung dieses Alters war für manch Elternteil und Pädagogen in Deutschland Anlaß für höchste Sorge. Und auch den ARD-Verantwortlichen, die die Serie ab nächste Woche im Kinderkanal zeigen, war nicht ganz wohl bei der Sache: Als sie das Produkt unlängst in Hamburg der Presse vorstellten, boten sie gleich eine ganze Armada von Medienpädagogen und Fernsehkritikern auf, um der umstrittenen Serie prophylaktisch das Attest „harmlos“ auszustellen. Doch alle medienkritische Einordnung hilft nichts. Zweijährige sollen fernsehen? Für manchen um die Kinder Besorgten hierzulande immer noch Grund genug, den sittlichen Weltuntergang auszurufen.

Postapokalyptisch wie nach einer Nuklear-Katstrophe mutet das Teletubbies-Land allerdings auch an: inmitten grellgrüner, hügeliger Wiesen voll bunter Blümchen und echter Kaninchen liegt die Behausung der Teletubbies, das „tubbytronische Superiglu“. Zu Beginn jeder Folge werden die vier flauschigen Aliens (in denen echte Schauspieler stecken) aus einem schornsteinartigen Loch katapultiert. Mal flitzen die zwei Jungs Tinky Winky (lila) und Dipsy (grün) und die zwei Mädchen Laa- Laa (gelb) und Po (rot) wie aufgezogene Roboter durch ihre Welt, mal hüpfen sie wie schwerelose Astronauten um riesige, grummelnde Telefonhörer. Dabei klatschen sie in ihre Patschehändchen und sagen Sachen wie „Feidifeidifeidi“, „Teletubbies schmuuuusen“ oder „Eh-Oh“, ws so viel wie „Hallo“ bedeutet. Und immer wenn das magische Windrad sich dreht, empfängt einer der vier auf seinem in den Bauch integrierten Bildschirm einen Realfilm über Kleinkinder, die im Regen spielen oder eine Radtour machen. Wenn der fünfminütige Film aus der Perspektive eines Dreijährigen vorbei ist, rufen alle „Nochmal, nochmal“ und genau der gleiche Film wird abermals gezeigt.

Danach sind erwachsenen Zuschauer meist schon vor Langeweile gestorben, aber das ist ja egal: „Die Teletubbies reflektieren kindliches Empfinden, sie sind konsequent für ihre Zielgruppe gemacht“, findet Albert Schäfer, Programmchef des Kinderkanals: „Sie vermitteln den Kindern das Gefühl von Geborgenheit, und die Wiederekennung bei Wiederholungen stärkt das Selbstbewußtsein der Kinder.“ Trotz dieser pädagogischen Argumente für das erste Fernsehen aus Kinderperspektive mit einer dementsprechend eigenwilligen Ästhetik, gab es beim Kinderkanal wegen der Teletubbies schon etliche Anfragen von Eltern- und Kirchenverbänden. Die lassen sich in schöner Regelmäßigkeit von Alarmberichten in Panik versetzen, wie z.B vergangene Woche einem Agenturbericht, demzufolge „zuviel Fernsehen Kinder dick“ mache. Mal sollen auch Hyperaktivität, Aggressivität, Sprach- und Wahrnehmungsstörungen oder Lethargie die Strafe fürs Glotzen sein. Obgleich derlei Thesen von Medienwissenschaftlern längst widerlegt oder relativiert sind, passen sie gut auf ein Grundbewußtsein über unschuldige Kleine und dunkle Medienmanipulatioren. Schäfer: „Fernsehen ist immer noch bäh.“ Am gruseligsten sei für Erwachsene dabei der Gedanke, daß schon Kinder unter drei glotzen, wo sie doch schön mit Holzspielzeug an der frischen Luft spielen sollen. Bei den Quotenmessern von der GfK kommen konsequenterweise Zuschauer unter drei gar nicht vor.

Bei den „Teletubbies“ kristallisieren die Ängste zudem: Was für Monster züchten wir heran, wenn wir unsere Kinder einer solch künstlichen Kitschwelt aussetzen? Eine seltsame Besorgnis, wo Babies längst inmitten von Disney-Figuren, Handies, Computern und sonstigen Maschinen aufwachsen. Außerdem – so vermuten auch Schäfer und seine Medienpädagogen – „gibt es bereits viele Kinder unter Drei, die fernsehen.“ Das werde nur „immer noch tabuisiert“.

Ein Fall von Doppelmoral, denn Ein- bis Dreijährige glotzen bei den Eltern mit. Schäfer: „da bestimmen noch ganz eindeutig die Eltern den Fernsehkonsum.“ Und wenn die Kiste schon läuft, dann sei es doch besser, daß die Kleinen ihren Bedürfnissen entsprechend eine Welt voller Harmonie und „schmuuuusen“ sehen.

Ben Bachmaier, Professor für Erziehungswissenschaft in Kassel, führt die Fernsehphobie der Deutschen in bezug auf Kinder auch weniger auf die Angst zurück, daß das Fernsehen tödlich für die kindliche Phantasie sein könnte. Vielmehr gäbe es eine traditionelle Angst vor zuviel Phantasie: „Kirche und Staat sahen in Deutschland in der Phantasie immer die Gefahr der Subversion“, sagt er. Bachmaier weiter: „So war die Behauptung, daß nach der Lektüre des ,Werthers‘ alle Selbstmord begingen, ein politisch lanciertes Gerücht. Oder lesende Frauen: Das war zu Beginn des Jahrhunderts noch der pure Alptraum. Heute ist das mit Kindern und dem Fernsehen ähnlich“. Einen Kulturbruch mag er in den „Teletubbies nicht erkennen. Allerdings sei er sich nicht sicher, ob die Sendung sich in Deutschland durchsetzen könne: „Dieses Programm kommt aus einem ganz anderen Kulturkontext mit ganz anderen Lernstrukturen.“ So entsprächen die permanenten Wiederholungen nicht der deutschen Methode des Spracherwerbs, am ehesten seien die Innenfilme noch mit den Welterfahrungsclips der „Sendung mit der Maus“ vergleichbar, sagt Bachmair: „Ich bin gespannt, ob es klappt.“

260 Folgen hat die BBC bisher produziert, 90 davon hat der Kinderkanal erstmal gekauft und für die Hälfte der Folgen neue Innenfilm gedreht, denn – so Albert Schäfer – „wir können beispielsweise keine Autos zeigen, die auf der falschen Seite fahren.“

Ob die deutsche Zielgruppe überhaupt auf die Teletubbies abfährt, wird sich zeigen. In den anderen Ländern haben die Spacebabies sich längst durchgesetzt, und vor allem in England sogar gesellschaftliche Bedeutung erlangt: Tinky-Winky, der von einem ehemlaigen Shakespear Mimen dargestellt wird, wurde wegen seiner Liebe zu einer roten Boy-George-Handtasche als schwul geoutet und avancierte daraufhin in England zur Ikone der Schwulenbewegung. Und als in einer Folge ohne Grund ein E vom Himmel fiel, deutete die Techno-Community das begeistert als Ecstasy: Sandmännchen auf Speed! Mit ihrer Single „Teletubbies sag Eh-oh“ schafften die FabFour es sogar auf Platz 1 der Charts. Und ein anglikanischer Reverend hat kürzlich starke Parallelen zwischem dem Verhalten der Teletubbies und dem Gottesdienstritus.

Nachdem die Deutschen letztes Jahr bei Guildo Horn ihr Kampagnen-Potential in Sachen Spaß entdeckt haben, ist ein ähnlicher Erfolg vielleicht auch hierzulande möglich. Vielleicht wird 1999 das Jahr von Susan Stahnke, Carl- Maurice und den Teletubbies?

Die „Teletubbies“: Ab Montag wochentags um 7.30 Uhr, 9 Uhr und 12.30 Uhr im Kinderkanal, samstags um 8.30 Uhr in der ARD – in den ersten vier Wochen.