Zum Zeitunglesen angefixt

„De:Bug“ setzt sich mit elektronischer Kultur jenseits von Stadienraves und Love Parade auseinander – ohne E-Mail würde es die Zeitung nicht geben  ■ Von Uh-Young Kim

„4DM Schutzgebühr“ stand oben links auf der Titelseite. Deswegen freute es einen doppelt, die Zeitung für „Elektronische Lebensaspekte“ kostenlos mit nach Hause zu nehmen. Damit ist jetzt Schluß. Wer sich über Netzkultur, Millenniumismen und Musik aus Maschinen informieren möchte, muß ab heute 4,80DM auf den Tisch legen. Mit einer Auflage von 42.000 Stück geht De:Bug mit ihrer April-Ausgabe an den Kiosk.

Inhalte anstelle von Technik-Euphorie

In Zeiten, in denen Roman Herzog auf der Cebit verkündet, daß der Umgang mit elektronischen Medien bald so wichtig wie Lesen und Schreiben sein wird, geht der Ansatz der monatlich erscheinenden Zeitung über die Grenzen eines Special-Interest-Magazins hinaus. Auf 48 Seiten versucht De:Bug die rasant fortschreitende technologische Entwicklung mit Inhalten zu füllen, die über den Freudengesang auf das High-Tech-Zeitalter oft vergessen werden. Eine Mischung aus Beiträgen zu computergenerierter Musik und einem theoretischeren Teil, in dem Kunst, Medizin, das Netz und Design auf ihre elektronischen Aspekte hin untersucht werden, soll das als alltäglich proklamieren, was für die Redaktion längst notwendige Basis und Realität ist. Ohne das Internet als Informationsquelle und den offenen E-Mail-Verkehr, über den viele Beiträge unaufgefordert eingesandt werden, würde es die Zeitung nicht geben. Die aktuelle Ausgabe wurde sogar teilweise von Amerika aus gestaltet, wo sich Grafiker Jan Rikus Hillmann während der Produktion aufhielt.

Aufbruchstimmung der Generation Berlin

Daß die Redaktion in Berlin-Mitte sitzt, hat bei einer solchen virtuellen Spannweite laut der Mitherausgeberin Mercedes Bunz „null Stellenwert“. Trotzdem spricht aus dem Ehrgeiz und dem Willen, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, genau jene Aufbruchsstimmung, die unter dem Logo „Generation Berlin“ geführt wird. Die Karten sind neu gemischt, und endlich kann man die Joker ausspielen, die jahrelang über enge Szene-Kontakte gereift sind. Statt die Kultur, die man lebt und mitgestaltet, den Mainstream-Medien zu überlassen, „für die Techno immer noch Drogen, laute Musik und Parties mit nackten Mädchen sind“ (Bunz), wird an einem eigenen Entwurf der digitalen Kultur gearbeitet – auch, um den Rest des Lebens nicht im Dienste von Multimedia-Agenturen, in Uni-Seminaren oder als lebenslanger DJ zu fristen. Mit Labelbetreibern, DJs, Musikproduzenten und Webdesignern im Team schreiben sich die Macher von De:Bug selbstbewußt „Selbstbeherrschung“ statt des ghettoisierenden Stigmas „Underground“ auf die Fahnen. Daß Ruhm und Ehre bisher einziger Lohn für die Arbeit ist, ist nicht nur in diesem Fall der Preis der redaktionellen Unabhängigkeit.

Dabei hat die junge Redaktion einige Ansätze, es besser zu machen als das bankrott gegangene Techno-Magazin Frontpage, aus dessen Trümmern De:Bug hervorgegangen ist. Nicht etwa in der hedonistischen Clubkultur, sondern in den geerdeten Szenen von Plattenläden wurden ohnehin schon suchtgefährdete Vinyl-Liebhaber über 21 Ausgaben zum regelmäßigen Zeitunglesen angefixt.

Auch an Liebesparaden, Raucher-Raves im Luftraum und Joint-ventures mit Energy Drinks ist Geschäftsführer Sascha Kösch nicht interessiert. De:Bug ist zwar in die Lücke gesprungen, die in der Technowelt durch den Niedergang von Frontpage entstanden war, bedient jedoch nicht den pillenverstrahlten Raver vom Lande und versteht sich auch sonst nicht als Organ einer bestimmten Szene. Während andere Ex-Frontpager gerade dabei sind, mit dem Lifestyle-Magazin Park die Geburt des teutonischen Hipsters auszurufen, versuchen die Macher von De:Bug ihr übergreifendes Konzept von elektronischer Kultur in der anachronistisch anmutenden Schlichtheit einer Zeitung zu verwirklichen, „weil die im Gegensatz zum Überfliegen von Magazinen auch gelesen wird“ (Kösch).

Das Zeitungsformat im quadratisch angeordneten Webdesign trotzt nicht nur der blendenden Hochglanzästhetik der anhaltenden Magazinschwemme, sondern auch der oft angeklagten Sprachlosigkeit von Techno. Zahlreiche Interviews überlassen den Künstlern selber das Wort, von Gesprächen mit Seltenheitswert wie z.B. mit Techno-Ikone Wolfgang Voigt (alias Mike Ink, Gas etc.) bis zu nichtssagenden E-Mail-Wechseln mit Kinderzimmer- Produzenten. Diese bilden bis jetzt auch den Hauptteil an Lesern, glaubt man der letzten blattinternen Leserumfrage. Der typische De:Bug-Leser ist demnach 25 Jahre alt und – na? – genau: männlich, mit Hang zum Musikproduzenten. Daß die Computerwelt nach wie vor eine Männerdomäne ist, wollen die Zeitungsmacher allerdings nicht glauben, dann schon eher die Welt der Umfragen. Bunz: „Ich glaube, Schröders Sekretärin weiß mehr über das Internet als er selber.“

Über Genres hinaus

Im hinteren Teil von De:Bug entsteht ein genreübergreifendes Forum für die elektronischen Lebensaspekte jenseits der geraden und gebrochenen Beats. Wissenschaftliche Essays über die Wahrnehmung von Zeit finden dort ebenso Platz wie das Neuste über die Vernetzung zwischen Mensch und Prozessor-Implantaten. Bunz: „Wir möchten Bezüge herstellen und den Leuten nicht den letzten Schrei präsentieren.“ Eher wird dem nächsten Hype schon einmal der Wind aus den Segeln genommen, wie in der Story über „Flexecutives“, den angeblich neuen Yuppies der ausklingenden Neunziger.

Politik wird auf ihre technologischen Realität hin überprüft. In der März-Ausgabe ist nachzulesen, wie ernst SPD-Internetbeauftragter Siegmar Mosdorf seine Homepage nimmt.

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