14 EU-Staaten jubeln über Kompromiß

■ Die Briten freuen sich über ihren Rabatt, die Spanier über die Kohäsionsfonds und die Franzosen über die ausgesetzten Milchpreise

Berlin (taz) – Selbstverständlich haben die europäischen Gäste dem EU-Ratspräsidenten Gerhard Schröder den Vortritt gelassen. Aber kaum hatte der im Morgengrauen den „guten Kompromiß“ über die Agenda 2000 vorgestellt, fielen sie ihm diplomatisch in den Rücken und meldeten ihrererseits „Erfolge“. Finanzielle Erfolge, die nur möglich waren, weil Deutschland seine Sparpläne zusammenstrich.

Wie schon sein Vorgänger Helmut Kohl, machte auch Schröder das Portemonnaie zugunsten Europas auf. Die verhinderten Opfer der Schröderschen Sparpolitik jubelten. Von dem Briten Tony Blair, über den Franzosen Jacques Chirac bis hin zum Spanier José Maria Aznar.

Blair vermeldete stolz, daß er den von seiner Amtsvorgängerin Margaret Thatcher 1984 ausgehandelten „Briten-Rabatt“ ins nächste Jahrtausend retten konnte. Entgegen kontinentaleuropäischen Überlegungen, wonach die Gründe für den Rabatt längst weggefallen sind, bleibt es bei den jährlich rund 6 Milliarden Mark Einsparung für die Insel. Außenminister Robin Cook gestern morgen: „Wir zahlen keinen Penny mehr.“

Auch der französische Präsident Chirac kam wohlgemut aus dem Verhandlungsmarathon. Mit seinem Premierminister Lionel Jospin hatte er es geschafft, die von Frankreich befürchtete Kofinanzierung abzuwenden. Außerdem gelang den Franzosen die Verschiebung der Milchpreisreform auf 2006.

Nach einem wochenlangen Showdown, während dem die Beziehungen zwischen Bonn und Paris abgekühlt waren, zeigten sich die Franzosen gestern erleichtert. „Das ist ein guter Moment für Europa.“ Die französischen Bauern waren mit dieser Einschätzung nicht ganz einverstanden. „Unser Protest hat sich gelohnt“, stellte zwar der Präsident des größten Bauernverbandes fest, es habe „substantielle Fortschritte“ gegeben. Aber langfristig seien die Einkommen der Landwirte damit noch nicht gesichert.

Jubel wegen eingesparter Gulden kam auch von niederländischer Seite. Frans Timmermans von der sozialdemokratischen „Partei der Arbeit“ sprach dem Ministerpräsidenten Wim Kok gestern ein „dickes Kompliment“ für die gute Arbeit in Berlin aus. Die Niederlande haben in Berlin die zu Hause von der Koalition vereinbarte Einsparung ihres EU-Beitrags von 1,3 Milliarden Gulden (1,1 Mrd. DM) nicht nur erreicht, sondern sogar noch übertroffen, freute sich ein Abgeordneter.

Zu den Gewinnern des Gipfels gehört auch Italien. Zusätzlich zu der Nominierung von Ex-Premierminister Romano Prodi als EU- Kommissionspräsident konnte das Land gestern Vorteile aus der Landwirtschaftsreform mitnehmen. Unter anderen die Erhöhung der Milchquoten. Sehen lassen können sich die Gipfelresultate auch für Spanien, Portugal und Griechenland. Sie erreichten für sieben Jahre die Fortsetzung der Zahlungen aus den Strukturfonds. Von 2000 bis 2006 sollen sie mit 213 Milliarden Euro (408 Milliarden Mark) ausgestattet sein, statt mit 200 Milliarden Euro (384 Milliarden Mark) zwischen 1993 und 1999. Spaniens Premierminister Aznar fand den gestern erzielten Kompromiß „exzellent“. Dorothea Hahn