Studenten wollen mit Bus und Bahn zur Uni

■ Eine Mehrheit der Studierenden hat sich für ein Semesterticket ausgesprochen. Doch die BVG verlangt dafür einen hohen Preis und wird darin vom Wirtschaftssenator unterstützt

Ein Semesterticket bedeutet: Jede Studentin und jeder Student erhält automatisch eine Dauerkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. In fast allen deutschen Städten gibt es Semestertickets – nur die Hauptstadt hat es noch nicht hingekriegt. Und das, obwohl es 1992 schon die ersten Überlegungen dazu gab. Der Grund liegt in abweichenden Preisvorstellungen von Studierenden einerseits, deren Interessen von der eigens gebildeten Länderkoordination Semesterticket Berlin-Brandenburg (Semtix) vertreten werden, und dem aus BVG, S-Bahn und Deutscher Bahn AG bestehenden Verkehrsverbund.

Nach Ansicht von Semtix soll der Studententarif bei maximal 190 Mark pro Semester für Berlin liegen, das wären im Monat 31,70 Mark. Für Studierende in Brandenburg soll es nur 80 Mark kosten. Der Verkehrsverbund hingegen fordert 215 Mark für die Zonen AB; wer zusätzlich die Zone C bereisen will, soll jeden Monat 15 Mark draufzahlen.

Die Situation ist festgefahren. Bei Urabstimmungen an den Berliner Universitäten sprach sich die Mehrheit der Studenten gegen das Angebot des Verkehrsverbundes aus, wenngleich die überwältigende Mehrheit das Semesterticket grundsätzlich befürwortete. Und der Verkehrsverbund? „Wir haben versucht, das Ergebnis nach unten zu beeinflussen“, sagt Sprecherin Ingrid Kudirka. 227,50 Mark für Berlin und Brandenburg schwebte dem Verbund vor. „Aber die BVG hat sich gesträubt“, so Kudirka. Bei diesen Preisen würde sie Verluste machen.

Die Studenten haben mit Hilfe von Fahrgastbefragungen ein Rechenmodell entwickelt, auf das sie ihre Preisforderungen stützten. Orientiert haben sie sich aber auch an den Preisen in anderen Städten. Im Rhein-Main-Verkehrsverbund zahlen Frankfurter Studenten 180 Mark für das Semesterticket, im übrigen Hessen sind es etwa 90 Mark, meint Böhm. Da es sich dabei um den zweitgrößten Verkehrsverbund handle, wäre es „ein guter Vergleich“.

Hinter den Verhandlungen über das Semesterticket scheint im übrigen ein Koalitionsstreit zu stecken. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Abgeordnetenhaus und Mitglied des Verkehrsausschusses, Christian Gaebler, meint, daß sich Studenten und Verkehrsbetriebe „irgendwo in der Mitte treffen müssen“. 220 bis 230 Mark für den gesamten Verbundraum sei „ein akzeptabler Preis“. Zu einem ähnlichen Ergebnis soll ein Gutachten kommen, das ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen erstellt, aber noch nicht veröffentlicht hat. Daß die Verhandlungen in einer Sackgasse gelandet sind, lastet Gaebler vorrangig der BVG an. Die hat indes die volle Unterstützung des Wirtschaftssenators Wolfgang Branoner (CDU), der den Aufsichtsratsvorsitz bei der BVG hat.

Über einen Tarifantrag des Verkehrsverbundes will die Verkehrsverwaltung in wenigen Tagen entscheiden. Mit einer Genehmigung ist zu rechnen. Zu welchem Preis? Ein Weg aus der Sackgasse wäre, das Semesterticket zunächst ein Jahr auszuprobieren und dann auf der Grundlage der gewonnenen Daten neu zu entscheiden. Karen Wientgen