Mit einem Ticket durch zwei Länder

■ Am 1. April startet endlich der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg - der größte Zusammenschluß von Nahverkehrsunternehmen in der gesamten Republik. Viele Fahrten werden billiger, einige aber auch teurer.

Die Frankfurter – die der Oderstadt, nicht die vom Main – könnnen sich freuen: Ab dem 1.April sparen sie bares Geld, wenn sie per Bus oder Bahn nach Beeskow oder Fürstenwalde, Eisenhüttenstadt oder in die Stadt Brandenburg fahren. Die erfreulich und selten gewordene Senkung der Fahrpreise ist dem Verkehrsverbund Berlin- Brandenburg, kurz VBB, zu verdanken, der nach langem Gerangel zwischen den beteiligten Verkehrsunternehmen und mehrfacher Verschiebung des Startschusses endlich in Kraft tritt.

Uwe Stindt ist stolz auf das Gebilde, das nach jahrelangem Vorlauf unter seiner Führung seit Anfang 1998 Formen angenommen hat. Der VBB-Geschäftsführer hat Erfahrung im Zusammenschmieden unterschiedlicher Nahverkehrsunternehmen zu einem Verbund, war er doch zuvor schon im Raum Rhein-Main und Rhein- Ruhr in diesem Metier tätig.

Doch der VBB übertrifft alle bisherigen Verkehrsverbunde der Republik in seiner Ausdehnung: Fast zwei komplette Bundesländer sind künftig mit einem Ticket befahrbar. Lediglich die drei südlichen Landkreise und die Stadt Cottbus nehmen (noch) nicht am VBB teil.

Insgesamt haben sich 35 Verkehrsunternehmen vertraglich zur Anwendung des neuen Verbundtarifes verpflichtet. Als noch getrennte Unternehmen verkauften sie 1997 Fahrscheine für 1,4 Milliarden Mark; die öffentlichen Hände legten noch einmal 2,1 Milliarden Mark dazu.

Über 80 Prozent der Fahrgäste waren 1997 in den Bussen und Bahnen der Hauptstadt unterwegs. Schon wegen dieser Fahrgastverteilung schien das Mitmachen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) unverzichtbar. Lange mußte um ihre Teilnahme gerungen werden. Und die BVG wird wohl auch noch längere Zeit das Sorgenkind im VBB bleiben. „Leider sind die Verkehrsbetriebe aufgrund ihrer schwierigen Finanzsituation nicht in der Lage, zum Stichtag 1. April die neuen Fahrscheinautomaten aufzustellen“, bedauert Stindt. Rund 20 Millionen Mark müßte die BVG investieren, um auch ihren Kunden den problemlosen Kauf von Verbundtickets zu ermöglichen.

Die übrigen VBB-Mitgliedsunternehmen haben sich da als flexibler erwiesen. Ob im Bus in der Uckermark oder in der Potsdamer Straßenbahn – allerorts gilt: Mit einem Ticket kann jedes beliebige Ziel innerhalb des Verbundgebietes erreicht werden. Wer etwa von Frankfurt (Oder) nach Beeskow fährt, zahlt statt bisher einmal 9 Mark für eine Bahnkarte und 1,50 Mark für den Stadtbus 8,50 Mark für ein VBB-Ticket.

Vielnutzer des öffentlichen Nahverkehrs profitieren ganz besonders vom neuen Einheitstarif. Mit einer Netzkarte zum Preis von 240 Mark pro Monat können sie unbegrenzt zwischen Brandenburg und Frankfurt, Prenzlau und Lübben hin- und herpendeln. Uwe Stindt weist zum Vergleich auf die Netzkartentarife anderer Verbunde hin: Im Rhein-Main-Gebiet etwa müssen monatlich 370 Mark hingeblättert werden, im Raum Stuttgart kostet die Netzkarte sogar über 400 Mark.

Für die Berliner wird sich im Stadtverkehr nicht viel ändern: Der Einzelfahrschein kostet weiterhin 3,90 Mark, die Umweltkarte für die Zonen A und B 99 Mark; allerdings wird die Tarifzone „B“ verkleinert und ist ab 1. April identisch mit der Stadtgrenze.

Teurer wird es für die Berliner zum Teil, wenn sie Ziele in Brandenburg erreichen wollen: Die Fahrt nach Fürstenwalde etwa kostet statt bisher 4,20 nun 6,40 Mark. Das Vorstandsmitglied des Fahrgastverbandes IGEB, Matthias Horth, kritisiert denn auch die Tarifpolitik des VBB. Dessen Geschäftsführer Uwe Stindt kontert den Vorwurf mit dem Hinweis, daß das Gros der Verbindungen günstiger wird als nach den alten Tarifen.

Streit gab es im Vorfeld über die Aufteilung der Einnahmen. Lange Zeit monierten die Berliner Verkehrsbetriebe, sie sollten zu wenig bekommen. Kaum hatte man sich auf einen Schlüssel geeinigt, der die Personenkilometer mit 60, die reinen Fahrgastzahlen mit 40 Prozent berücksichtigt, sahen die BVG-Manager neues Unheil: Die VBB-Fahrscheine seien nicht fälschungssicher, ließen sie die Öffentlichkeit wissen.

Uwe Stindt entgegnet den Befürchtungen: „Grundsätzlich kann alles gefälscht werden, doch wir haben sichergestellt, daß unsere Tickets sehr schnell neue Sicherheitsmerkmale erhalten können.“ Geradezu absurd mute die BVG- Kritik allerdings an, da das Unternehmen selbst maßgeblich an der Entwicklung der Fahrscheine beteiligt gewesen sei. „Falls es nötig werden sollte, können wir schon nach drei Monaten die Tickets ändern; größer ist der Vorrat überhaupt nicht“, so Stindt.

Seit März laufen umfangreiche Werbeaktionen des VBB, die insgesamt 2,4 Millionen Mark kosten und dafür sorgen sollen, daß die Berliner und Brandenburger am 1.April stets das richtige Ticket lösen. Außerdem verspricht der VBB-Geschäftsführer, daß in den ersten Wochen kein Kunde hilflos vor einem der umgerüsteten Fahrscheinautomaten alleingelassen werden soll: Mitarbeiter der Verkehrsunternehmen werden in der Anfangszeit erklären, wie den Automaten gegen Eingabe eines vierstelligen Nummerncodes der neue Einheitsfahrschein abzuringen ist. Gudrun Giese