Basis verweigert Strieder den Wahlkreis

■  Landesparteichef der SPD fällt als Wahlkreiskandidat in seinem Heimatbezirk Kreuzberg durch, erringt jedoch den Platz 1 der Bezirksliste. Einzug ins Abgeordnetenhaus ungewiß. Umfrage: SPD nur noch bei 29 Prozent

Affront gegen den Chef: Der SPD-Landesvorsitzende und Umweltsenator Peter Strieder ist von seinem Kreuzberger Heimatbezirk am Wochenende abgemeiert worden. Bei einer Kampfabstimmung gegen die SPD-Linke Elga Kampfhenkel um die Wahlkreiskandidatur für die Abgeordnetenhauswahl im Oktober unterlag Strieder mit 15 gegen 22 Stimmen bei einer Enthaltung.

Trotz der Schlappe zeigte sich Strieder der Presse gegenüber besänftigt durch die Tatsache, daß er klar auf den ersten Platz der Bezirksliste für die Abgeordnetenwahl gewählt wurde, und zwar bei 32 Ja- , keiner Gegenstimme und 6 Enthaltungen. Anders jedoch, so berichten Kreuzberger Sozialdemokraten, war seine interne Reaktion gegenüber den Genossen: Ob der Niederlage im Kampf um seine Heimatwahlbezirk sei er „stinkig“ und „sauer“ gewesen – Strieder selbst war gestern nicht zu erreichen.

SPD-Sprecher Frank Zimmermann sprach gegenüber der taz von einer „interessanten Entscheidung“: Die knapp 40 Bezirksdelegierten hätten „nach lokalen Gesichtspunkten“ entschieden und deshalb Lokalmatadore gewählt. Dies sei nicht als Düpierung Strieders zu werten. Auch die Außenwirkung sei „kein Problem“.

Von einer „schweren Niederlage“ und einem „Hammer“ für Strieder sprach dagegen Karl-Heinz Volck, Vorsitzender einer Unterabteilung der Kreuzberger SPD. Volck hatte vor der Kandidatenwahl gegen Strieder mit einem Flugblatt Stimmung gemacht. Gegenüber der taz betonteVolck, bei Strieders Bemühung um den Wahlkreis habe es sich um eine „reine Scheinkandidatur“ gehandelt. Auch ohne rot-grünen Machtwechsel in der Hauptstadt nach der Wahl werde ihn der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen schon nicht hängenlassen. Der Basis sei bei Strieder schlecht aufgestoßen, daß er sich als „Überflieger“ stilisiert habe. Strieder sei für ihn ein „Wendehals“ und „Windhund“.

Die siegreiche Kandidatin Kampfhenkel sagte, sie habe „kein schlechtes Gewissen“, die Wahlkreiskandidatur ihres Parteichefs verhindert zu haben. Immerhin habe er ja noch den Spitzenplatz auf der Bezirksliste. Eine Niederlage werde dies nur dann für ihn, wenn er es als solche darstelle.

Unterscheidlich waren die Ansichten darüber, ob Strieder mit diesem Listenplatz noch einen sicheren Startplatz für einen Abgeordnetenstuhl habe. Während es von Zimmermann und in Parteikreisen hieß, mit dem Listenplatz habe er seinen Abgeordnetenmandat sicher, zweifelte der Kreuzberger SPD-Chef Andreas Matthae ein wenig: Wenn es der SPD gelinge, zwei der drei Wahlkreise des Bezirks direkt zu holen, habe Strieder keine Chance. Allerdings, so Kampfhenkel, wäre dann das Wahlergebnis so gut, daß Strieder wohl auch wieder einen Senatorenposten einnehmen könne.

Auf den bundespolitisch eher negativen Trend führten die Genossen die schlechten Werte für die Berliner SPD in einer am Samstag veröffentlichten Infratest/dimap-Umfrage zurück. Danach bekäme die SPD derzeit nur 29 Prozent der Stimmen, die CDU läge bei 35. Da die PDS auf 14 Prozent zulegte, die Grünen aber auf 12 Prozent absackten, gäbe es derzeit keine Mehrheit für einen rot-grünen Senat. Die Profilierung der SPD auch in Berlin sei „nicht gerade sehr herausragend“. Zimmermann und Kampfhenkel machten zudem den Rücktritt Oskar Lafontaines als SPD-Bundesvorsitzender für die miesen Werte verantwortlich. Allerdings werde man sich aus dem „kleinen Tief“, im Laufe der kommenden Monate befreien. Philipp Gessler