T-Shirts gegen die Nato

■ "Ohne Bomben bitte!!!": Die jugoslawischen Handballspieler sind bei der Pokal-Endrunde eher mit dem Krieg in ihrer Heimat beschäftigt

Hamburg (taz) – Als Nedeljko Jovanovic sich kurz vor Schluß verdribbelte und damit die Chance von TUSEM Essen auf den Ausgleich gegen den TBV Lemgo zunichte machte, stand sogleich der Vorwurf im Raum: Der Jugoslawe war nicht bei der Sache und hätte nicht spielen dürfen. Die Gedanken des Hünen würden um den Krieg auf dem Balkan kreisen, statt sich auf Handball zu konzentrieren. Schließlich war es der entscheidende Fehler im Halbfinalspiel um den Pokal des Deutschen Handball-Bundes (DHB).

Dabei zeigten alle drei am Wochenende in Hamburg an der Pokal-Endrunde beteiligten Jugoslawen eine gute Leistung. Der THW Kiel hatte es nicht zuletzt Nenad Perunicic und Torhüter Goran Stojanovic zu verdanken, daß er gestern durch ein 28:19 gegen den TBV Lemgo zum zweiten Mal in Folge den Pokal gewann. Beim Halbfinalerfolg gegen Magdeburg hatte Stojanovic fünf Siebenmeter gehalten und Perunicic acht Tore geworfen. Auch der unglücklich dribbelnde Jovanovic hatte zuvor als exzellenter Ballverteiler geglänzt, aber das Halbfinalaus von Essen nicht verhindern können.

Nach den Halbfinalspielen lagen sich die drei weinend in den Armen. „Unsere beiden Jugoslawen geben keine Interviews zu dem Thema“, beschied der Kieler Manager Uwe Schwenker alle Gesprächswünsche, „und der Verein versucht, sie davor zu schützen. Wir unterstützen unsere Sportler, wo wir können.“ Ansonsten wirkte Schwenker in seiner Argumentation eher hilflos. Er selbst könne sich nicht in eine solch prekäre Lage versetzen, erklärte er, und rettete sich in den üblichen Hinweis, im Sport habe die große Politik nichts zu suchen. Einen Streik in den Nato-Staaten, wie ihn einige Fußballer vorgeschlagen haben, würden Perunicic und Stojanovic darum ablehnen. Natürlich werde im Team über den Krieg gesprochen, „aber verarbeiten müssen sie das Trauma selbst.“

Als am Mittwoch abend die ersten Bomben fielen, gingen Perunicic, der 87mal für die jugoslawische Nationalmannschaft angetreten ist, und Stojanovic, der in Belgrad aufwuchs, ihrer Arbeit in der Kieler Ostseehalle nach. Nach dem Schlußpfiff im Bundesliga-Spiel gegen den ThSV Eisenach erlitten die beiden Sportler in der Kabine einen Zusammenbruch. Im Anschluß hatten sie mit dem Gedanken gespielt, in ihre Heimat zurückzukehren, um bei ihren Angehörigen sein zu können. „Ich verstehe sie. Handball ist nicht mehr wichtig“, zeigte THW-Trainer Zvonimir Serdaruscic, selbst Bosnier, Verständnis, ehe sich seine Spieler am Donnerstag gegen die gefährliche Reise entschieden.

Ihre Meinung zu zeigen, ließen sie sich jedoch nicht verbieten: Alle drei spielten mit einem Trauerflor um den Oberarm. Jovanovic trug beim Auslaufen ein T-Shirt mit der Aufschrift „Frieden durch Krieg???“ Beantwortet wurde diese Frage durch den Schriftzug der auf Stojanovic' und Perunicic' Rücken prangte: „Ohne Bomben bitte!!!“ „Die Spieler haben uns und den DHB gefragt, ob sie dieses Zeichen geben dürften“, bestätigte Uwe Schwenker, „und wir waren uns schnell einig, daß wir ihnen das nicht verwehren dürfen.“

Am Sonntag stellte der Spielausschuß-Vorsitzende Heinz Jacobsen allerdings klar, daß der DHB fortan keine Demonstrationen gegen den Nato-Einsatz bei seinen Veranstaltungen dulden wolle. „Dies ist eine Sportveranstaltung, bei der wir keine politische Werbung wollen“, sagte Jacobsen, erlaubte den Spielern allerdings den Trauerflor.

Nur Essens Trainer Jörn-Uwe Lommel schien noch die Niederlage seines Teams zu interessieren. „Sie können auch nicht zu ihrem Chef gehen und sagen: Ich habe heute keine Lust!“, herrschte er einen Journalisten an, der ihn nach Jovanovic' verhängnisvollem Fehler befragte. „Ich sage das ganz provokant: In einer Pokalendrunde darf man sich keine Fehler erlauben.“ Als sei es ein Schnitzer, einen Krieg nicht aus dem Kopf zu bekommen. Eberhard Spohd