Geht auch ohne

■ In TV-Serien kommen manchmal Lesben vor. Aber muß man deshalb gleich debattieren?

Etwa die jüdische Kleinkriminelle. Im Kosmos deutscher Fernseh-Fiction suchen wir sie vergeblich.

Andere Minderheiten hingegen gehören längst zum Inventar des deutschen Seifenopernalltags. Kranke und Ausländer, Vergewaltiger und Vergewaltigte, die Reichen und Schönen, Schwulen und Lesben – wohl keine Huschhusch- Serie läßt es sich entgehen, mit allerlei quotierten Minderheiten Quote zu machen. (Wenn demoskopische Normalität interessant wäre, hatte der Fernsehapparat schließlich vorn statt der Mattscheibe bloß einen Badezimmerspiegel).

Homosexuelle Lust am homosexuellen Kitsch

Denn zu einem als „aufklärerisch“ subsumierten Voyeurismus für alle, die's nicht nicht anders kennen, gibt's den Identifikations- Trash für jene, die es besser wissen, gratis.

Man mag sich lange fragen können, wie königlich sich die, sagen wir, Tumorkranken Deutschlands amüsieren, wenn der „Marienhof“-Teenager Mascha derzeit mit Geschwulst und Gewissensbissen herumkrebst. Die homosexuelle Vorliebe fürs (homosexuell) Verkitschte aber ist ein Klischee, das sogar die homosexuelle Minderheit selbst äußerst gern bedienen läßt.

Wenn außerdem Tabakkonzerne und Bahn AG mit Schwulenfreundlichkeiten hausieren gehen, zeigt das zum einen, daß Homosexualität als Realität längst hingenommen wird – auch wenn dabei, andererseits, schon mal übersehen wird, daß Homosex auch ganz anders, nämlich weiblich, sein kann.

Gewiß: Ob in der „Verbotenen Liebe“ und „Marienhof“ (ARD), in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (RTL) – eines Tages hat dort bestimmt schon mal eine hübsche junge Frau durchaus ihre gleichgeschlechtliche Neigung entdeckt – und die betreffende Darstellerin hernach in Talkshows erzählt, wie's war.

Das mag man als Trend ansehen oder als TV-Alltag. Thema aber ist die Beobachtung deshalb noch lange nicht. Es sei denn, man macht eins draus wie beispielsweise der „Bund lesbischer & schwuler JournalistInnen“, der am Wochenende in Berlin zur Diskussion in Sachen „Lesben In Serie“ rief.

Gemeinsam mit dem „Journalistinnenbund e.V.“ hatten die Veranstalterinnen eine Zeit-Kolumnistin (Barbara Sichtermann), eine Lesbendarstellerin (Katy Karrenbauer), eine Soap-Autorin (Gabriele Kosack) und Hans W. Geissendörfer aufs Podium gesetzt, von dem herab dann die Kolumnistin das Lesbischsein „in besonderer Weise beunruhigend“ finden durfte und die Moderatorin (Sabine Zurmühl) ihr mit dem Attribut „spielverderberisch-verweigernd“ beipflichten, während „Lindenstraßen“-Vater Geissendörfer für das überaus homogene Publikum den heterosexuellen bad guy mimte.

Schließlich hatte sich die „Lindenstraße“ erlaubt, ihren allerersten Lesbenpiot – anders als die tägliche Seriensippschaft – mit einer drogenabhängigen Schlampe als schmierige Erpressungsfarce zu inszenieren – und dem WDR damit 4.632 Beschwerden“ eingehandelt, obwohl die „Lindenstraße“, so Geißendörfer, „kein Lexikon und kein Lebenshilfeverein“ sei, sondern eine Fernsehserie.

Gleichgeschlechtliches erweitert den Plotpool

Auf dem Berliner Podium wurde dennoch munter kritisiert (heterosexuelle Beziehungsmuster, homosexuelle Stereotypen, zu hübsch, zu lange Haare, zu bisexuell...) und diskutiert. Wieso überhaupt die Lesbe in Serie geht, blieb leider ungefragt. „Dramaturgisch“ nämlich, so ließ Gabriele Kosakl Chefautorin beim Soap-Magnaten Grundy-Ufa, wissen, „geht's auch ohne.“

„Bi verdoppelt die Chancen“, Iästert der Volksmund, und gleichgeschlechtliche Kompatibilitätt vervielfacht den Plotpool. So einfach ist das. Das kleine jüdische Serienluder hingegen würde doch nur allzu bald im Fernsehfrauenknast landen. „Hinter Gittern“ heißt das dazugehörige RTL-Unikum – Lesben inklusive. Und wer dort wiederum eine „Lesben hinter Gittern“-Metapher zu entdecken glaubt, ist im Zweifelsfall selbst Antisemit. Christoph Schultheis