Tote bei Unruhen in Paraguay

Militär schießt auf Demonstranten. Präsident Cubas will einlenken    ■ Von Ingo Malcher

Buenos Aires (taz/AFP) – Asunción am morgen danach: Ausgebrannte Autos liegen auf dem Dach, in vielen Häusern sind die Scheiben eingeschlagen. Die Straßen der paraguayischen Hauptstadt sind übersät mit Holzlatten, Eisenstangen und Steinen – Zeugnisse der schweren Straßenschlachten, die sich Anhänger des Präsidenten Raúl Cubas, seine Gegner und die Polizei in der Nacht von Freitag auf Sonnabend lieferten. Um die „Sicherheit zu regulieren“, setzte der Präsident auch Militär gegen die Demonstranten ein. Panzer patrouillierten durch die Straßen, von Dächern der Innenstadt schossen Soldaten mit scharfer Munition auf Regierungsgegner. Agenturen und das paraguayische Fernsehen meldeten vier bis zehn, die Veranstalter der Demonstration fünfzehn Tote und Hunderte von Verletzten. Paraguayische Medien sprechen vom einem „Massaker“.

Cubas selbst entließ am Sonnabend nachmittag als Reaktion auf die Auseinandersetzungen Polizeichef Niño Trinidad Ruiz Diaz. Die Unruhen brachen aus, als sich Gegner und Anhänger des Präsidenten vor dem Kongreßgebäude versammelten. Dort beriet gerade ein Untersuchungsausschuß des Senats über ein Amtsenthebungsverfahren gegen Cubas wegen Amtsmißbrauches.

Der Präsident hatte im August 1998 seinen politischen Ziehvater, Ex-Heereschef Lino Oviedo, aus dem Gefängnis entlassen. Oviedo saß eine zehnjährigen Haftstrafe wegen Putschversuchs ab. Als der Oberste Gerichtshof im Februar diesen Jahres entschied, daß seine Freilassung nichtig sei und der General wieder zurück ins Gefängnis müsse, weigerte sich Cubas, dem Urteil Folge zu leisten. Oviedo konnte untertauchen. Sämtliche Parteien im Parlament machen den General für den Mord an Vizepräsident Luis Maria Argaña am vergangenen Dienstag verantwortlich und werfen Cubas vor, Oviedo zu decken.

Jetzt steckt der Präsident in der Klemme. „Die Mörder sitzen bei Cubas und Oviedo zu Hause“, riefen die Demonstranten am Freitag. Mittlerweile hat Cubas zugesagt, vor dem Untersuchungsausschuß auszusagen und auch die Entscheidung der Senatoren im Amtsenthebungsverfahren zu akzeptieren. Die Abstimmung ist für morgen geplant. Auch große Teile von Cubas eigener Colorado-Partei sind für seine Absetzung. Fünf paraguayische Botschafter traten aus Protest gegen ihn zurück. Um eine Lösung der Krise zu finden, verhandelten nach Rundfunkangaben mehrere ausländische Botschafter in Paraguay mit der Regierung und der Opposition.

Sollten die notwendigen 30 der 45 Senatoren für eine Absetzung Cubas votieren, würde dessen Zeit als Präsident schon sieben Monate nach seiner Wahl enden. Die Wähler wußten allerdings, wem sie mit Cubas ihre Stimme gaben. Sein Wahlkampfslogan lautete: „Cubas an die Regierung, Oviedo an die Macht.“ Oviedo selbst hat mehrfach verkündet, daß er „nicht im Traum“ daran denke, auch nur eine weitere Nacht im Gefängnis zu verbringen. „Flüsse von Blut“ drohte er an für den Fall, daß jemand versuche, ihn hinter Schloß und Riegel zu bringen. Nach den schweren Auseinandersetzungen von Freitag nacht konterte der Senatspräsident Luis González Machhi: „Das sind die von Oviedo versprochenen Flüsse von Blut.“ Und die Tageszeitung Noticias titelte: „Versprechen eingehalten!“