Nato-Bomben schweißen Jugoslawien zusammen

■ Die Angriffe auf Montenegro dämpfen das Unabhängigkeitsstreben der Bevölkerung

Die Nato-Angriffe auf Ziele in der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro haben nicht nur Gebäude zerstört. Sie haben auch einen immensen politischen Schaden angerichtet. Seit Monaten ist es offensichtlich, daß die Mehrheit der Bevölkerung der 650.000-Einwohner-Republik eine Loslösung von Belgrad wünscht. Dieses Unabhängigkeitsstreben wurde durch die Bombardierungen jäh gestoppt. Schon in der ersten Bombennacht wurde der Flughafen bei Podgorica, der Hauptstadt Montenegros, angegriffen. Eine vollbesetzte Passagiermaschine aus Belgrad konnte dank des Geschicks des Piloten im Dunkeln bei ausgeschalteten Positionslichtern gerade noch landen – zehn Minuten bevor die Rakten einschlugen. Der zivile und der militärische Flughafen liegen nebeneinander und haben zum Teil dieselbe Infrastruktur. Die militärische Bedeutung ist relativ gering.

Andere Angriffe galten der alten Haupstadt des Landes, Cetinje, mit zahlreichen kulturhistorisch bedeutenden Bauten, aber ohne kriegswichtige Ziele. Angegriffen wurden auch Orte in der Bucht von Kotor, wo jedoch die Schiffe der jugoslawischen Kriegsmarine liegen.

Die Angriffe haben die demokratische Entwicklung in Monetenegro vorerst beendet. Hier sind die Albaner in Regierung und Parlament vertreten und stellen die Bürgermeister einiger Gemeinden, wo ihre Bevölkerungsgruppe in der Mehrheit ist. Alle ehemaligen Staatsfirmen werden erfolgreich privatisiert. Eigenmächtig und eigentlich verfassunsgwidrig hat Montenegro sogar zwei Grenzübergänge zu Kroatien geöffnet und gemeinsame Projekte für den Fremdenverkehr mit der Region Dubrovnik vorbereitet. Die Filialen der Nationalbank und die Zollbehörden in den Adriahäfen und auf den Flugplätzen sind nicht mehr der jugoslawischen Föderation unterstellt. Die Bundesregierung wird nicht mehr anerkannt.

Die montenegrinische Regierung hatte die Region für neutral erklärt, sollte es zu Angriffen der Nato auf Jugoslawien kommen und sogar erwogen, militärische Objekte zu blockieren. Davon ist keine Rede mehr. Die Mehrheit der Bevölkerung würde eine Distanzierung von Belgrad als Verrat ansehen. Anstatt die Eigenständigkeit Montenegros zu fördern, hat die militärisch vielleicht logische, aber politisch unsinnige Aktion gegen Montenegro Milośevičs Jugoslawien zusammengeschweißt.

Verzweifelt ist deshalb auch die serbische Opposition. Denn die wirklich regimefeindlichen Parteien, zusammengeschlossen im „Bund für Veränderungen“, hatten auf den montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanovič gesetzt. Der versucht zumindest noch, sich von Milośevič abzugrenzen. Am Samstag forderte er den jugoslawischen Präsidenten dazu auf, wieder Verhandlungen mit den Kosovo-Albanern aufzunehmen. „Dieser Konflikt mit der Welt“, so Djukanovič, „der Jugoslawien isoliert, ist keine Politik für die Zukunft unserer Staaten und Völker.“ Andrej Ivanji, Belgrad