Ohnmacht in der Duma und lautstarker Protest

■ In Moskau demonstrieren nicht nur alte Kommunisten, sondern auch die junge Szene der Stadt

In einer eilig einberufenen Sondersitzung verabschiedete die Duma am Wochenende eine Resolution, in der das Parlament das gewaltsame vom UN-Sicherheitsrat nicht sanktionierte Vorgehen der Nato in Jugoslawien strikt verurteilt. In seltener Einmütigkeit stimmten 366 Abgeordnete für die Annahme der Resolution über „die Aggression der Nato gegen die Föderative Republik Jugoslawien“. Lediglich vier Deputierte sprachen sich dagegen aus und zwei enthielten sich der Stimme. Indes fiel das endgültige Dokument wesentlich moderater aus, als es die nationalistische und kommunistische Mehrheit im Parlament zunächst geplant hatte. Der schärfste Passus der Resolution äußert die Bedenken: Es gäbe keine Garantien mehr, daß nicht auch andere Staaten Opfer des „staatlichen Terrorismus seitens der Nato“ würden. Man solle die Beziehungen mit der Nato neu überdenken, die Zusammenarbeit im Rahmen des Programms „Partnerschaft für Frieden“ einfrieren und die Ratifizierung des START-II- Vertrags ausssetzen. Die Resolution ist ein weitere Beweis, wie ohnmächtig sich Moskau fühlt, in die internationale Politik eingreifen zu können.

Dieses Ohnmachtsgefühl bewegt wohl auch viele Russen, auf die Straße zu gehen. Seit vier Tagen sammelt sich vor der amerikanischen Botschaft eine tausendköpfige Menge. Gestern wurde zum ersten Mal auf die Botschaft geschossen. Die Demonstranten stammen nicht nur aus marginalisierten Schichten der russischen Gesellschaft. Vor allem der Vorsitzende der rechtsradikalen Partei LDPR, Wladimir Schririnowski, hat sich ihrer angenommen. Der Politclown, der sich in der Duma uniformiert präsentierte, nutzt die Gelegenheit, seinem schwindenden Einfluß entgegenzusteuern. Seine Werbeaktion „Freiwillige für Serbien“ brachte unterdessen nicht den erwarteten Erfolg. Etwa 180 Menschen haben sich bisher in die Listen eingetragen.

Natürlich sind auch die notorischen, meist älteren Demonstranten des rotbraunen und antisemitischen Lagers vertreten. Ins Auge aber sticht ein ganz neues Phänomen: Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahren stellen die Mehrheit der Demonstranten. Sie und ihre Eltern zählen nicht zu den Verlierern der Reformen. „Wir protestieren gegen die Amerikaner, weil sie über ein wehrloses Volk herfallen und allen ihren Willen aufzwingen wollen“, sagt der 18jährige Sergej, der in Levis steckt und eine Calvin- Klein-Baseballmütze trägt. Die Stimmung ist bestens. Fliegt ein Farbbeutel oder zerbirst eine Fensterscheibe des fast dunklen Gebäudes, johlt die Menge auf. Vorbeifahrende Autos bekunden ihre Solidarität durch Hupen. Die Demonstration gleicht einem fröhlichen Happening einer selbstbewußten Generation. „Ich habe nicht viel für die Amerikaner übrig, sie haben keine Kultur“, meint der 28jährige Keramikkünstler Wladimir. „Das heißt aber nicht, daß ich mich von Roten oder Braunen vereinnahmen lasse.“ Klaus-Helge Donath, Moskau