Bosnien in Alarmbereitschaft

■ Nach dem Abschuß zweier jugoslawischer Kampfflugzeuge droht auch Bosnien in den Krieg hineinzugeraten. Immer mehr Muslime aus dem serbischen Sandzak fliehen nach Sarajevo

Der Krieg im benachbarten Jugoslawien zeigt seine Auswirkungen zunehmend auch in Bosnien. Am Freitag wurden zwei jugoslawische Kampffugzeuge über Ostbosnien abgeschossen, ein drittes konnte auf jugoslawisches Territorium zurückkehren. Die Flugzeuge hatten vermutlich versucht, zum US-amerikanischen Stützpunkt in Tuzla vorzudringen. In der Nacht zum Sonntag versuchten zwei jugoslawische Helikopter in den Luftraum Bosniens einzudringen. Sie drehten kurz vor einem Zusammenstoß mit Nato-Flugzeugen ab.

In Bosnien-Hezegowina sind die Sfor-Truppen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Ständig kreisen F-15 Kampfflugzeuge der Nato über dem Luftraum, um mögliche Angriffe der jugoslawischen Luftwaffe abzuwehren. In der Republika Srpska fühlen sich Vertreter ausländischer Organisationen nicht mehr sicher. So wurden die Mitarbeiter der OSZE aus der Hauptstadt der Republika Srpska, Banja Luka, zurückgezogen und in die muslimisch dominierte Stadt Bihac verlegt.

Es kam auch zu Übergriffen auf Journalisten unabhängiger Medien. Bomben waren kurz nach dem ersten Nato-Angriff auf Serbien in der ostbosnischen Stadt Bjeljina vor dem Tor des Hauptquartiers der internatioanlen Polizei IPTF explodiert, Demonstranten griffen die Konsulate der USA und Großbritanniens an.

Die Stimmung in der Republika Srpska wird durch Äußerungen radikaler Politiker angeheizt. So erklärte der abgesetzte Präsident und Vorsitzende der Serbischen Radikalen Partei, Nikola Poplasen, die Serben der Republika Srpska seien bereit, für Serbien zu kämpfen. Die Radikalen versuchten, die Repubika Srpska zu destabilisieren, erklärte Simon Haselock, Pressesprecher des Hohen Repräsentanten in Sarajevo.

Die frühere Präsidentin Biljana Plavsić und der Vorsitzende der Sozialisten der Republika Srpska und Präsident des Gesamtstaates Bosnien-Herzegowina, Zivko Radisić, zeigten sich mit Serbien solidarisch, riefen jedoch zu keinerlei Aktionen auf. Premierminister Milorad Dodik appellierte an die Bevölkerung, sich ruhig und friedlich zu verhalten.

Der Vorsitzende der muslimischen Nationalpartei, Alija Izetbegović, wies alle serbischen Presseberichte zurück, die Armee der bosniakisch-kroatischen Föderation sei in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die serbische Seite hatte behauptet, die bosnischen Truppen könnten als Bodentruppen für die Nato zur Verfügung stehen. „Wir halten Frieden“, versprach Izetbegović und erklärte: „Diese Berichte sind frei erfunden.“

Mehr als 60 Busse mit Flüchtlingen sind seit Freitag aus der in Serbien gelegenen Region Sandžak in Bosnien eingetroffen. 10.000 Flüchtlinge aus dieser Region sollen sich schon jetzt in Bosnien- Herzegowina aufhalten. Die zumeist der muslimischen Volksgruppe zugehörigen Flüchtlinge berichten, daß immer mehr Männer in die jugoslawische Armee eingezogen werden. Die meisten Muslime weigerten sich jedoch, für Serbien gegen die Nato zu kämpfen.

Die Grenze zu Bosnien könnte zeitweise nur von Frauen und Kindern passiert weden, die Männer würden festgehalten, erklärten Flüchtlinge. Andere berichten das genaue Gegenteil: Die serbischen Behörden seien froh, die muslimische Bevölkerung der Region loszuwerden.

Die Grenzstadt Priboj sei eine Geisterstadt, die serbischen Bewohner seien in umliegende Dörfer geflohen, die muslimischen vornehmlich nach Bosnien. Alarmierend sind Aussagen einiger Flüchtlinge, serbische Milizen seien im Sandžak aufgetaucht und fingen an, die nichtserbische Bevölkerung zu terrorisieren. Die meisten aus dem Sandžak Geflohenen kommen in Sarajevo vorerst bei Verwandten unter. Schon seit Monaten suchen Menschen aus dem Sandžak in Sarajevo Zuflucht. Erich Rathfelder, Sarajevo