■ Die Anderen
: "Haaretz" (Israel) zieht Vergleiche zwischen der Judenverfolgung der Nazis und den Ereignissen in Kosovo / "Liberation" aus Paris wirft dem Westen vor, keine richtige Strategie gegen die jugoslawische Führung zu haben

Die israelische Zeitung „Haaretz“ zieht Vergleiche zwischen der Judenverfolgung der Nazis und den Ereignissen im Kosovo: Israel hat noch keine klare Position zum Krieg zwischen den verschiedenen Nationen Jugoslawiens bezogen. Während des Krieges in Bosnien hat Israel einige Flüchtlinge aufgenommen, die meisten davon Juden, und israelische Araber nahmen eine kleine Anzahl muslimischer Flüchtlinge auf. Heute ist eine resolutere Stellungnahme Israels notwendig.

Viele Israelis, die den Holocaust miterlebt haben, sind sich der mutigen serbischen Haltung gegenüber Nazideutschland noch sehr bewußt, zu einer Zeit, als viele andere Volksgruppen – wie Albaner, Kroaten und Bosnier – mit den Nazis kollaborierten und sogar bei der Judenvernichtung in ihren Lebensbereichen mithalfen. Dennoch ist die wichtigste Lektion des Holocaust die Verpflichtung, verfolgten Völkern zur Seite zu stehen. Wir werfen den Staaten der Welt zu Recht vor, daß sie nicht resolut und schnell genug auf die Judenverfolgung und die ersten Schritte in Richtung Massenvernichtung der Juden in Europa reagiert haben. Wir werfen ihnen vor, es damals als interne deutsche Angelegenheit angesehen zu haben.

Nun haben die USA und die Europäische Gemeinschaft erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges entschieden, tatkräftig gegen Verfolgung und Völkermord in Europa vorzugehen. Mit all dem Schmerz, den Nato-Militärschläge auch unschuldigen serbischen Opfern zufügen werden, muß Israel sie unterstützen, in der Hoffnung, daß eine solche Aktion die jugoslawische Führung zwingen wird, Mord und Deportation der Albaner zu beenden und am Verhandlungstisch eine Lösung für diesen blutigen Konflikt zu finden.

„Libération“ aus Paris wirft dem Westen vor, keine richtige Strategie gegen die jugoslawische Führung zu haben: Die Allianz muß weitere Risiken eingehen, um ihre Drohungen zur Ausführung zu bringen – Risiken für ihre Piloten, die zu politischen Risiken werden. Auf politischem Gebiet haben die Drohungen nicht den erwünschten Erfolg. Nicht nur, daß Slobodan Milošević nicht so schnell aufgibt, wie dies die Europäer erwartet hatten. Nicht nur, daß er weiterhin über den wesentlichen Teil seines militärischen Potentials verfügt, den die Clinton-Mannschaft so schnell zu zerstören glaubte. Nicht nur, daß er die Serben als Opfer hinter sich gebracht hat. Zudem treibt er die Massaker im Kosovo weiter voran. Die Kosovaren hat er zum Freiwild erklärt.

Jetzt ist mehr denn je eine politisch-militärische Strategie vonnöten, die die ethnischen Säuberungen beenden kann. Aber im Augenblick ist diese Strategie unsichtbar, ja vielleicht existiert gar keine Möglichkeit, dies zu erreichen.