Neuer Angriff auf den Lauschangriff

■ Mit einer Verfassungsbeschwerde wollen FDP-Politiker den Lauschangriff doch noch stoppen

Karlsruhe (taz) – Prominente FDP-Politiker wollen den Großen Lauschangriff in Karlsruhe zu Fall bringen. In einer Verfassungsbeschwerde aus der Feder des Ex- Bundestagsvizepräsidenten und früheren nordrhein-westfälischen Innenministers Burkhard Hirsch rügen sie die Verletzung der Menschenwürde durch das Gesetz vom Mai 1998 und die vorangegangene Grundgesetzänderung.

Mitunterzeichner sind die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum und zwei Privatleute, darunter Hirschs Frau Margarete.

Auf der Grundlage der Gesetze können die Strafverfolgungsbehörden unter bestimmten Umständen in eine Wohnung einbrechen, sie verwanzen und auch sogenannte „Zufallsfunde“ verwerten – auch bei Personen, die selbst gänzlich unverdächtig sind, und oft, ohne daß sie je davon erfahren. Das heimliche Abhören eines vertraulich gesprochenen Wortes sei „der stärkste denkbare Eingriff in die Privatsphäre des Menschen“, kritisieren die Kläger in der Begründung. „Wenn man nicht mehr sprechen kann, dann ist leicht das Ende einer freien Gesellschaft erreicht“. Die Mißachtung der Privatsphäre bezeichnen sie als „ein Kennzeichen totalitärer Staaten“.

Die Politiker räumen das „besondere und wichtige Interesse des Staates und der Allgemeinheit an einer wirksamen Strafverfolgung“ ein. Auf 21 Seiten kritisieren sie dann aber Einzelregelungen: Die Schwelle für das Abhören sei mit einem „einfachen Anfangsverdacht“ sehr niedrig gezogen. Der Katalog von Taten, die zum Abhören berechtigten, könne jederzeit vom Gesetzgeber ohne Verfassungsänderung verlängert werden.

Kritisiert wird außerdem, daß die Belauschten möglicherweise nie von der Aktion erführen: Ein Richter entscheide nach sechs Monaten, ob sie benachrichtigt würden. „Besonders bemerkenswert“ sei es, daß dieser Richter derjenige sei, der auch über eine mögliche spätere Anklage entscheide.

Ein Termin für die Entscheidung aus Karlsruhe steht noch nicht fest. Die Richter müssen noch über zwei weitere Verfassungsbeschwerden gegen den Großen Lauschangriff entscheiden. Gudula Geuther