Gibt es intelligentes Leben beim DFB?

Die DFB-Fußballer reden neuerdings viel von Taktik und spielstandabhängigen Verschiebungen. Zunächst muß Babbel aber den Ball kontrolliert zwischen seinen Füßen verschieben  ■ Von Fritz Eckenga

Der abgehobene Taktik-/Systemdiskurs „moderner Fußball“ ist auf der Basisstation gelandet. Vor dem heutigen EM-Qualifikationsspiel gegen Finnland (20.30 Uhr, ZDF) kämpfen inzwischen sogar die Frontschweine der Bild- Zeitung (Ausnahme: Franz Beckenbauer) nicht mehr dumpf für den Einsatz von Sekundärtugenden auf dem grünen Feld der Ehre. Im Anforderungskatalog für deutsche Nationalspieler sind die Paragraphen Bedingungsloser Einsatz, Innere Schweinehundbekämpfung und Grasfressen in den Anhang gerutscht. Statt dessen stehen jetzt schon in der Präambel die Leitlinien des Systemfußballs 2000: Verschiebung im Raum, Variable Kette, Spielstandabhängiges Offensiv-/Defensiv-Verhalten.

Zumindest rhetorisch sind die Auswahlspieler bereits auf Ballhöhe. Nach dem 3:0 gegen Nordirland sagte einer nach dem anderen brav die Lektion her. Man habe gesehen, daß die 3-4-3-Ausrichtung gerade gegen eine auf der Linie operierende Abwehr erfolgreich war. Durch die variable Besetzung der offensiven Außenbahnen sei man besser in den Rücken des Gegners gekommen und habe in Defensivsituationen durch die Verschiebung in ein 4-5-1-Schema trotzdem die Räume zumachen können.

Der Nachhilfeunterricht trägt erste Früchte. Das Ur-Erlebnis Weltmeisterschaft und wohl noch mehr die anschließende spieltaktische Demütigung gegen die Niederlande zeigen Wirkung. Man versucht, sich an den international führenden Fußball heranzusprechen. Das klingt wirklich modern. Tatsache ist aber eher, daß Erich Ribbeck mangels eigener Ideen und Kenntnisse erst mal nur das Naheliegendste veranlaßt hat und vermutlich auf Betreiben Lothar Matthäus' die erfolgreiche Bayern- München-Version ohne Effenberg, Lizarazu und Elber üben läßt.

Das weiß eigentlich jeder und natürlich auch Bild. Was die und die anderen Fachleute jetzt aber nicht daran hindert, vorlaut den Quantensprung Nationalelf zu simulieren. Eine Übersprungshandlung, geboren aus der Not, etwas schönschreiben zu wollen, über das man lange nicht mehr schönschreiben konnte. Wenn also schon keine glanzvollen Siege mehr, dann wenigstens ein international vergleichbares Erfolgs-System.

Mit der Wahrheit auf dem Platz hat das vorerst noch nicht allzuviel zu tun. Die Frage nach der gelungenen rautenförmigen Verschiebung im Raum stellt sich nämlich erst dann, wenn es Manndecker Markus Babbel gelingen wird, den Ball einigermaßen kontrolliert zwischen seinen beiden Füßen zu verschieben.

Der sich oft ahnungslos gebende Ribbeck scheint das zu ahnen. Er will heute im Nürnberger Frankenstadion zwar mit unveränderter Aufstellung an die Finnen ran, die intellektuellen Anforderungen an seine Spieler aber weiter verschärfen: „Das ist auch eine Sache der Intelligenz, das umzusetzen, was ich mir vorstelle.“

Soll der deutsche Fußball also bald wieder höchsten Ansprüchen genügen, müssen die Verantwortlichen schleunigst die Grundsatzfrage beantworten: Gibt es intelligentes Leben in der Nationalmannschaft?