Skepsis in Frankreich

■ Chirac begründet die Luftangriffe – aber das Volk zweifelt zunehmend an deren Sinn

Während die Unterstützung im Volk für den Krieg auf dem Balkan bröckelt, erklärt Frankreichs Präsident, warum die Luftangriffe weitergehen müssen. „Europa kann auf seinem Territorium keinen Mann und kein Regime dulden, die seit etwa zehn Jahren in Slowenien, Kroatien, Bosnien und jetzt im Kosovo Operationen mit ethnischen Säuberungen, Morden, Massakern und die Destabilisierung der gesamten Region betreiben“, sagte Jacques Chirac am Montag abend in einer Fernsehansprache. Die Hinrichtung des kosovarischen Oppositionspolitikers Fehmi Agani müsse die Entschlossenheit der Nato noch verstärken, sagte Chirac. Zugleich räumte er ein, daß der Krieg Risiken berge.

In Frankreich schlägt gegenwärtig die Stimmung um. Während an den ersten Kriegstagen vor allem die politischen Extreme gegen die Bombardements protestierten, haben inzwischen auch zahlreiche PolitikerInnen der Mitte ihre Skepsis, teilweise sogar ihre Gegnerschaft geäußert. Als erste hatte Ende vergangener Woche die französische Kommunistische Partei eine Demonstration gegen den Krieg auf dem Balkan veranstaltet. Am Wochenende demonstrierten Rechtsextreme von der Front National zusammen mit serbischen Organisationen, zu denen FN- Chef Jean-Marie Le Pen seit langem Kontakte aufgebaut hat, in Paris gegen den Angriff. Bei einer Meinungsumfrage des Boulevardblattes Le Parisien sprachen sich am Wochenende nur noch 48 Prozent der Franzosen für die Luftangriffe aus.

Abgeordnete fast aller Parteien der französischen Nationalversammlung hatten bereits Ende vergangener Woche ihren Unmut darüber geäußert, daß sie nicht zu dem Kriegseinsatz befragt worden seien. Mehrere Abgeordnete erklärten, diese Entscheidungsfindung über ihre Köpfe hinweg zeige, daß eine neue Verfassung nötig sei.

Eine klare Position gegen den Krieg haben allerdings auch in Frankreich nur wenige ParlamentarierInnen. Die regierungsbeteiligten Grünen tun sich ähnlich schwer wie ihre Schwesterorganisation in Deutschland. Die grüne Abgeordnete Marie-Hélène Aubert beispielsweise erklärte, die Beteiligung Frankreichs an den Militärschlägen „werfe mehr Probleme auf, als sie löse“.

Besonders vage zu dem Krieg verhalten sich SprecherInnen der regierenden SozialistInnen. Der sozialistische Parlamentspräsident Laurent Fabius nannte sich „beunruhigt über die Zukunft“. Ex-Premierminister Michel Rocard, ebenfalls PS, erklärte, daß er weitere Luftschläge in den kommenden acht Tagen erwarte, aber sicher sei, daß „zum Schutz des kosovarischen Volkes“ Bodentruppen nötig seien. Dafür, so Rocard, hätten weder UNO noch Nato die Mittel. Dorothea Hahn