Von Kompromiß zu Kompromiß

■ Die Luftangriffe der Nato auf Jugoslawien entzweien Italiens Parteien. Eine tiefgehende Regierungskrise rückt immer näher. Grüne und Neokommunisten fordern sofortigen Bombenstopp

Offiziell mag keiner die Krise als erster heraufbeschwören, aber von Tag zu Tag steht sie deutlicher im Raum: Italiens Koalition aus Linksdemokraten, Neokommunisten, Grünen und Volkspartei ist zerstritten wegen des Balkan-Krieges. Zwar verabschieden die Partner ständig Übereinkunftspapiere, doch mehr als „vorwiegend provisorische Kompromisse“ (so ein Grünen-Sprecher) sind dabei nicht herausgekommen: Man wolle zurück an den Verhandlungstisch, direkte Kriegshandlungen dürften italienische Soldaten keinesfalls durchführen, nur zu humanitärer Hilfe sei man bereit.

Doch schon die Tatsache, daß nahezu alle Angriffe gegen Milošević' Territorium von italienischem Boden aus starten, hat Linksdemokraten und Volkspartei auf der einen, Neokommunisten und Grüne auf der anderen Steite tief entzweit. Regierungschef Massimo D'Alema und sein Außenminister Lamberto Dini suchen daher verzweifelt, wenigstens einen zeitweiligen Bombenstopp zu erreichen, um ihre fatale innenpolitische Lage wieder zu konsolidieren.

Tatsächlich können die Bomben-Befürworter im Parlament zwar auf eine breite Mehrheit rechnen, da die Rechtsopposition ihre Zustimmung selbst zu Einsätzen von Bodentruppen signalisiert hat. Jedoch könnte das Verfassungsgericht dazwischen gehen. Italiens Konstitution weist einen unaufhebbaren Artikel 11 auf, der sagt: „Italien lehnt Krieg als Verstoß gegen die Freiheit anderer Völker und als Mittel zur Lösung internationaler Konflikte ab.“ Nur eine halsbrecherische Interpretation der Bombardements als nichtkriegerische Aktion könnte diesen Artikel umgehen.

So droht der Führer der Italienischen Kommunisten, Armando Cossutta, den Auszug seiner Abgeordneten aus der Regierungskoalition an, und die Grünen ziehen mit. Damit könnte auch nicht mehr eine der kleineren anderen Parteien des Parlaments einspringen und mit den Linksdemokraten eine neue Allianz bilden – die Fehlzahl der Abgeordneten wäre zu groß. Und zu einer Großen Koalition mit Silvio Berlusconis Forza Italia sind auch die meisten Linksdemokraten nicht bereit.

So grummelt D'Alema ständig etwas von „neuen Initiativen“, die man „vertraulich“ vorantreibe. Da sich bislang noch wenig konkrete Ergebnisse zeigen, stellt die Regierung mit aller Macht ihre Hilfsmaßnahmen für die Kosovo-Albaner in den Mittelpunkt ihrer Briefings. Schon ist die „San Marco“, eines der größten Kriegstransportschiffe der italienischen Flotte, mit gut drei Dutzend Lastwagen, zwanzig Rotkreuzfahrzeugen und Hunderten Kisten Hilfsgüter nach Durres gefahren, um dort Aufnahmeplätze für 20.000 Flüchtlinge zu schaffen, sind alleine in Apulien Wohnwagen für gut 8.000 Bedürftige bereitgestellt worden.

Doch Beobachter der Grünen sehen in alledem „zwar sicher auch den Gedanken der Flüchtlingshilfe“, aber gleichzeitig auch „fast so etwas wie den Aufbau von Feldlazaretten für verwundete Soldaten“ – Vorbereitung auf die Schlacht mit Bodentruppen. Grünen-Sprecher Luigi Manconi fordert mittlerweile fast ultimativ, daß die Regierung „wenigstens in Umrissen zu erkennen gibt, wie sie sich den immer unverhüllteren kriegerischen Handlungen der Nato entziehen will“ – ansonsten sei es aus mit dem Regieren der Linken. Werner Raith, Rom