Serben setzen auf die Hilfe des großes Bruders

■ Der Kurzbesuch des russischen Premiers Primakow in Belgrad weckt bei den Menschen große Erwartungen. Das Bild vom treuen Verbündeten ist in den Staatsmedien täglich präsent

Gestern vormittag trafen Rußlands Ministerpräsident Jewgeni Primakow, Außenminister Igor Iwanow, Verteidigungsminister Igor Sergej und die Chefs des russischen Staats- und Armeegeheimdienstes zu Gesprächen in Belgrad ein. Die jugoslawische Regierung hatte den hohen Besuch aus dem „brüderlichen Rußland“ zwar zurückhaltend angekündigt, doch allein die Anwesenheit Primakows in der jugoslawischen Hauptstadt löste bei der Bevölkerung Euphorie und Erleichterung aus.

Auf den Straßen waren wieder mehr Menschen zu sehen. Und auf verlassenen Baustellen wimmelte es wieder von Arbeitern. „Solange die Russen hier sind, wagen diese Nato-Verbrecher keine Angriffe“, sagte der Baumeister Dejan Novaković. Seit Jahrhunderten sieht Serbien in Rußland den großen slawischen orthodoxen Verbündeten. Nach sieben Tagen Krieg mit der Nato gilt Primakow als Hoffnungsträger, der die „Aggression des amerikanischen Neofaschismus“ aufhalten kann.

In einer Belgrader Kneipe sind die Besucher von der russischen Initiative begeistert. „Ich wußte, daß sie uns nicht im Stich lassen“, sagte ein 40jähriger Mann. „So mächtig wie die Sowjetunion sind sie heute nicht. Aber sie haben Atombomben. Jelzin wird niemals zulassen, daß Clintons Killer den Völkermord an Serben fortsetzen“, mischte sich der Kellner ein.

Die Hoffnung der Serben auf Rußland, das Gefühl, nicht allein gegen die ganze Welt zu kämpfen, bekräftigen die gleichgeschalteten serbischen Medien. Zumal Rußland die Zusammenarbeit mit der Nato abgebrochen und sich zumindest rhetorisch eindeutig auf die Seite der Serben gestellt hat.

Den Besuch Primakows hat der jugoslawische Botschafter in Moskau, Bora Milošević, der Bruder des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević eingefädelt. Beobachter in Belgrad glauben, daß sich Primakow nicht für einen Vermittlungsversuch hergeben würde, wenn er nicht Aussicht auf Erfolg hätte. Auf der anderen Seite kann sich Milošević keineswegs erlauben, die ausgestreckte Hand Rußlands nicht zu ergreifen. Einzige offizielle Forderung Belgrads ist, daß die Gespräche über Kosovo nicht fortgesetzt werden können, bevor die Nato ihre Bombardements nicht abbricht.

Man kann jedenfalls davon ausgehen, daß Milošević jetzt erst recht nicht einer Stationierung von 28.000 Nato-Soldaten im Kosovo zustimmen wird. Was jedoch vorstellbar wäre – und Moskau hat das auch angedeutet – ist die Stationierung von ausländischen Truppen unter Führung der UN oder der OSZE. Doch da ist natürlich die Nato gefragt. Andrej Ivanji, Belgrad