Fuck Alltagsbeobachtungen!

■ Ungeduscht, geduzt und ausgebuht - ein Max-Goldt-Abend in der Nachtkantine

Der Satiriker Robert Gernhardt benannte das Phänomen bereits 1991 in seinem Vorwort zur Radiotrinkerin: „Wer ja auch gut ist, ist der Max Goldt.“ Das finden viele. Verkumpelung und Bewunderung gehen bekanntlich gerne Hand in Hand, und so gibt es kaum einen humoristischen Schreiber, mit dem sich die Fans so jovial verbunden fühlen wie mit dem Ex-Kolumnisten. Im Internet wird gar auf einer zusammengezimmerten Homepage mit dem Slogan „Schreiben wie Max Goldt“ gelockt.

Auch jenseits der Spaßfraktion hat man inzwischen viel Freude an Onkel Max und verlieh ihm vorigen Dezember den Schönfeld-Preis der Hamburgischen Kulturstiftung. Ob es ihm paßt oder nicht: Max Goldt ist deutsches Humorinventar geworden. Seine legendäre Titanic-Kolumne stellte er im Januar –98 nach 104 Ausgaben ein. Daß sie bevorzugt auf dem Klo gelesen wurde, war ihm zu gruselig. Sagt die Legende.

Was finden die Leute an diesem pullundrigen Quartalsprediger? Max Goldt erlaubt sich, was viele gerne täten: Er schimpft, schmollt und jammert, und dies ganz und gar egoistisch. Fiese Fußgängerzonen, harte Birnen, klumpige Schuhe – Goldt hat viele Haßbeispiele parat und schämt sich kein bißchen. Das allein macht einen nicht beliebt. Der Zauber seiner Texte liegt in der Poesie des Kläglichen: Max Goldt kennt wunderbare Worte. Gleichermaßen phantasiereich wie stur, altbacken wie gewagt verschafft er sich Luft und Gehör – und balanciert in jedem Text die Grenze zwischen Tollkühnheit und Spießertum aufs neue aus.

Als Popkultur noch was mit ABBA zu tun hatte, beschrieb Max Goldt bereits mit liebevoller Akribie, was im Rinnstein alltäglichen Lebens vor sich hin gammelte. Max Goldt ist ein Sachensucher, der gesenkten Kopfes mal hier, mal da etwas aufhebt, den Dreck abkratzt und so die Dinge zum Leuchten bringt. Dabei wehrt er sich dagegen, ein toller Alltagsbeobachter zu sein. „Fuck Alltagsbeobachtungen! Alltag ist heute das, was einem aus den Medien entgegenströmt, und nicht die Welt individueller Aufmerk- und Empfindsamkeit.“ Dieser Mann ist kein Kolumnen-Guildo. Daß er irgendwann alle lieb hat, ist nicht zu erwarten.

Viele seiner Lesungen fand er „ziemlich furchtbar“. Mehr als ein Text wurde, wenn nicht gerade kaputtgelacht, dann wenigstens totgeschmunzelt. Dafür lesen andere seine Werke umso lieber. So auch die Schauspielhausmitglieder Bettina Engelhardt und Gustav Peter Wöhler, die derzeit in Gotscheffs Lear zu sehen sind und am 2. April mit Ungeduscht, geduzt und ausgebuht sich selbst und das Publikum in den Genuß Goldtscher Texte bringen. Die Veranstaltung ist – wen wundert's – schon lange ausverkauft.

Anja von Steht

„Ungeduscht, geduzt und ausgebuht“, 2.4., 21 Uhr Schauspielhauskantine