Pathos und Einmischung: In „Stadt ist Bühne“ feiert die Senatorin Kultur als etwas Überlebenswichtiges

Es gibt ein einfaches Rezept, um den Sinn eines Wortes vergessen zu machen: es 20mal so schnell wie möglich hintereinander aufsagen. Das funktioniert mit „Mama“ genausogut wie mit „Telefon“. Bei einigen Wörtern ist dieses Spiel aber erst gar nicht nötig, weil sie sich ohnehin immer an der Grenze zur Sinnlosigkeit bewegen. „Kultur“ ist eines davon. Fußballtrainer reden von „Spielkultur“, Talkmaster von „Gesprächskultur“, und Möbelgeschäfte werben mit „Wohnkultur“. Da ist von Bildender Kunst, Musik, Theater und Literatur noch gar nicht die Rede.

Auch in Christina Weiss' Buch Stadt ist Bühne – Kulturpolitik heute ist der Kulturbegriff universal verwendbar, allerdings mit dem Unterschied, daß er nicht beliebig ausgetauscht werden kann. Mit Formulierungen wie "Kultur ist das Nötigste“ oder „das wichtigste Ziel einer demokratischen Gesellschaft muß es sein, einen geistigen Staat zu errichten“ zeigt die Senatorin zwar Pathos, aber auch ihre Bereitschaft, sich in andere Politikbereiche einzumischen. „Kulturpolitik heute“ beinhaltet anthropologische und soziologische Aspekte, Stadtentwicklung und Denkmalschutz, Vermittlung von Kunst und im weitesten Sinne Wahrnehmungstraining – als Bildbetrachter im Museum oder als Passant auf der Straße.

Anfangs- und Schlußkapitel lesen sich wie politische Reden, Appelle an Vertreter aus Politik und Wirtschaft. Auch die Kulturschaffenden fordert sie auf, neue Formen der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsvertretern zuzulassen. In den anderen Abschnitten über „Kulturpolitik als Kunst der Vermittlung“ oder „Kommunikation mit Kunst“ verrät die Autorin ihre akademische und journalistische Vergangenheit. An Beispielen aus Literatur, Bildender Kunst und Musik gibt sie eine Art Gebrauchsanweisung für den richtigen Umgang mit Kunst.

Natürlich ist Stadt ist Bühne bis auf die Knochen politisch korrekt. Ein Narr, wer anderes erwartet. Aber das Buch hilft, gegen die Tendenz einer Kulturpolitik anzugehen, die sich allzu oft dem Diktat der Finanzpolitik unterwirft. Christina Weiss liefert gute Argumente gegen diese Entwicklung. Ob sie gehört werden, bleibt abzuwarten. jd

Christina Weiss: „Stadt ist Bühne – Kulturpolitik heute“, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1999, 178 S., 38 Mark