Keine Panik wegen Ökosteuer

■ Heute tritt die Energiesteuer in Kraft – doch die Aufregung hat sich gelegt: Weder Autofahrer noch Industrie sind beunruhigt

Berlin (taz) – Am Ende war dann alles nur noch halb so wild. Die Schlangen an den Tankstellen hielten sich in Grenzen, und die Bahn verzichtete auf die angekündigte Extra-Preiserhöhung wegen der Ökosteuer. Vor drei Wochen hatte Bahnchef Johannes Ludewig das noch angekündigt. Nun sagt sein Sprecher plötzlich, es gebe weder einen Beschluß noch Überlegungen für einen weiteren Preiszuschlag wegen der neuen Energiesteuer.

Die ist seit heute in Kraft, und auch BASF ist nun versöhnlich gestimmt: „Wir sind allen Beteiligten dankbar, die sich für eine Korrektur eingesetzt haben“, schrieb der Konzernchef ergeben an den bündnisgrünen Fraktionschef Rezzo Schlauch, als die Ökosteuer vor ein paar Wochen nach monatelangem Gezerre endlich eingetütet war. So hätte sich die Nettobelastung des Chemiekonzerns durch die Ökosteuer auf nur noch 2,6 Millionen Mark reduziert, rechnete der Vorstandschef Jürgen Strube in seinem Brief vor. Ursprünglich habe man mit 118 Millionen Mark Nettobelastung gerechnet.

Wie der BASF-Chef auf diese Summe kommt, sagt er in dem Brief nicht. Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin, die Zahl beziehe sich auf den vollen Steuersatz, wie er ja ursprünglich im Gespräch gewesen sei. Frage nur: Bei wem? Schon im Koalitionsvertrag hatten SPD und Grüne festgehalten, „wegen der noch ausstehenden europäischen Hormonisierung der Energiebesteuerung wird in diesem ersten Schritt die energieintensive Wirtschaft bei Heizöl, Gas und Strom nicht belastet“. Seitdem gab es zwar ein nervenzehrendes Hin und Her um die genaue Regelung, mehr als 20 Prozent des Ökosteuersatzes waren für die energieintensive Industrie aber nie vorgesehen – und auch bei diesem Vorschlag war von Härtefallregelungen die Rede gewesen.

Das Gegenteil ist wahr: Die Verbraucher zahlen bei der Ökosteuer den Löwenanteil. Im Herbst waren dazu zwar keine konkreten Zahlen zu bekommen, weil die Bundesregierung nichts herausrücken wollte. Doch seit Lafontaine zurückgetreten ist, ist es offenbar keine Schande mehr, das auch laut zu sagen: „Unter dem Strich werden die deutschen Unternehmen durch die Ökosteuer allein im Jahre 1999 um circa zwei Milliarden Mark entlastet“, sagt der Bundestagsabgeordnete Reinhard Loske, der auf grüner Seite die Federführung für die Ökosteuer innehatte. Denn „sie zahlen nur 23 Prozent des Aufkommens, erhalten aber knapp 50 Prozent davon zurück – durch die gesenkten Lohnnebenkosten.

Das macht sogar Sinn, denn im Vergleich zu den privaten Haushalten und der öffentlichen Hand, die für den Rest aufkommen, ist die Industrie ein Hort der Energiesparer. Die Privaten gehen sehr verschwenderisch mit Energie um – der Strom kommt schließlich aus der Steckdose. Allein der Bereitschaftsbetrieb (Stand by) von Videorecorder, Fernseher oder Stereoanlage kann einen Haushalt leicht 50 Mark im Jahr kosten, schätzen die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW). Sie geben wie die meisten Stromversorger Tips zum Sparen. Die HEW zahlen sogar 15 Mark an jeden, der sich ein Stand-by-Abschaltgerät kauft.

Die jährliche Belastung pro Person durch die Ökosteuer beträgt – wenn sie keine Energie spart – schätzungsweise 25 bis 30 Mark pro Person im Jahr, bei Familien deutlich weniger, bei Einpersonenhaushalten etwas mehr. Deutlich mehr zahlen Studenten und Sozialhilfeempfänger, da sie nicht von den gesenkten Lohnnebenkosten profitieren können. Hier will die Regierung ab dem zweiten Schritt Ausgleich schaffen.

Das lange Gezerre um die Ökosteuer hatte nicht nur mit dem Lobbydruck zu tun. Es lag auch daran, daß die Experten aus der Wissenschaft, die jahrelang die Ökosteuer propagiert hatten, auf viele praktische Fragen, die sich aus ihren Konzepten ergaben, keine Antwort wußten. Nun ist erst mal etwas Ruhe – erst kurz vor der Sommerpause werden dann der zweite und der dritte Schritt der Ökosteuer beraten. Das Gesamtaufkommen wird genauso hoch sein, aber dann wird wohl eher etwas mehr auf den Benzinverbrauch aufgeschlagen werden und etwas weniger beim Strom.

Matthias Urbach

Energiespartips: http://www.ewr.de/energie/spartips.htm oder http://www.hew.de/privat/index.html