Kein Urlaub im Hochofen

■ „Verzogen“ : Streitskulpturen im Künstlerhaus Schäferstr.11a

Aus dem, was einmal als Portrait eines Männerkopfs gedacht war, wird erst ein Frauenbein, dann ein Sofa, und am Ende vielleicht ein Papierflieger. Für viele Künstler ist das der Alptraum schlechthin: Jemand anderes pfuscht in ihre Zeichnung, malt an ihrem Bild oder werkelt an ihrer Skulptur. Eine Gruppe Hamburger Künstler jedoch nutzt das Schreckgespenst jeder Autorenschaft als Methode:

Jost Hucking, Alexander Hoepfner, Peter Lynen, Ingrid Scherr und Heino Stavermann entwickeln gemeinsame „Streit-skulpturen“.

Dazu begeben sie sich seit gut einem Jahr in unregelmäßigen Abständen in mehrwöchige Klausur. Eine Zeit, in der keine Rechnungen bezahlt werden, kein Besuch empfangen wird und in der sie den Arbeitsraum nur in Notfällen verlassen .

„Anti-Urlaub“ nennt Lynen das. Es entsteht eine Arbeitsatmosphäre, die die Gruppe als „ständigen Wechsel zwischen Reservebank und Hochofen“ beschreibt. „Jeder ist der Schiedsrichter des anderen. Wenn man sich lange genug hinter dem Rücken eines anderen auf dessen Füße gestellt hat, entsteht ein Meinungsgerangel, aus dem die Inhalte als Skulpturen stehen bleiben.“

Diese vergegenständlichten Streitbrocken gab es im letzten Jahr zweimal in der Galerie XY im Künstlerhaus Wendenstraße zu sehen, in dem auch der Großteil der Gruppe wohnt. Im Februar präsentierte das Quintett die Großraum-skulptur Harrijassesnee vs. Schopenhauer - „Hallöchen“ zeigt „Der Vorpommer“ und im November die wändefüllende Panoramazeichnung Rotzglockenseppi trifft Schwimmhautfredi.

Für beide Ausstellungen wurde der Raum stark verändert; Raumbezug heißt hier nicht, sich dem Vorhandenen anzupassen, sondern den Ausstellungsraum durch Einbauten so zu verändern, daß er den Bedürfnissen der Gruppe entspricht.

Für die aktuelle Schau Verzogen in einem wegen bevorstehender Sanierung leergeräumten Mietshaus in der Schäferstraße fiel die gemeinsame Arbeitsphase wesentlich kürzer aus als sonst. Die Wohnungen wurden erst unmittelbar vor Ausstellungsbeginn von den Mietern verlassen. Einige haben auch nur ihr Bett und ihren Schreibtisch rausgeräumt: Die ehemaligen Bewohner und Initiatoren der künstlerischen Besetzung, Dörte Hausbeck, Henrik Hold, Mark Noll und Ingrid Scherr, zeigen unter anderem Arbeiten, die in dem Haus entstanden sind. Die Streitkünstler okkupieren eine Wohnung, den Flur und das Treppenhaus.

Brisant ist das Thema Wohnen für alle Beteiligten: Die Schäfersträßler sehen sich sowieso einem Neuanfang gegenüber, aber auch für die Crew aus der Wendenstraße ist die Zukunft ungewiß. Die Existenz des Künstlerhauses ist wieder einmal durch Spekulationen und undurchsichtige Verträge von Seiten des Vermieters gefährdet.

Britta Peters

Eröffnung: Samstag, 3. April, Schäferstr. 11a, 4./5. April, 15 - 19 Uhr.