Ostermarsch für und gegen Nato-Einsatz

■  Zum Ostermarsch am Montag werden mehrere tausend Teilnehmer erwartet. Mit ihnen treffen sich unterschiedlichste Positionen und Erwartungen. Daß die Friedensbewegung dauerhaft gestärkt wird, ist fraglich

Wenn die Friedensbewegung am kommenden Montag ihren alljährlichen Ostermarsch abhält, werden sich nicht nur die in den vergangenen Jahren üblich gewordenen 1.000 Menschen versammeln. Die aufrufenden Gruppen vom DGB bis zum „autonomen plenum gegen den krieg“ rechnen mit mehreren tausend Teilnehmern. Mit dem Nato-Einsatz im Kosovo hat die Forderung nach Frieden neue Aktualität erreicht.

Dabei eint der Ostermarsch die facettenreiche Friedensbewegung, obwohl die Positionen innerhalb der Bewegung abseits der Betroffenheit über die Situation auf dem Balkan unterschiedlicher nicht sein könnten: Die „Kampagne gegen Wehrpflicht“ und autonome Gruppen fordern „Stoppt den Angriffskrieg der Nato!“ und sehen hinter der Intervention machtpolitische und wirtschaftliche Interessen; Friedenskoordination (Friko), PDS, IG Medien und Teile der Grünen lehnen den Nato-Einsatz ebenfalls ab und fordern die Einstellung der Bombardements; der andere Teil der Grünen und der DGB sehen vor dem Hintergrund der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo keine Alternative zum Nato-Einsatz.

Der stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Bernd Rissmann, der in der Vergangenheit regelmäßig als Redner bei den Ostermärschen auftrat, bringt das Dilemma auf den Punkt: Zwar lehne er „jede Form kriegerischer Auseinandersetzung“ ab, andererseits aber stehe man vor der Frage, wie „das Morden“ auf anderem Wege zu beenden sei. Die bisherige Beschlußlage des DGB erfasse die derzeitige Situation nicht, und so befürchtet Rissmann, daß sich nur die Minderheit der Gewerkschafter, die den Nato-Einsatz ablehnt, am Ostermarsch beteiligt. Persönlich aber will der DGBler, für den Militäreinsätze ohne UN-Mandat etwas „Anrüchiges“ bekommen, am Ostermarsch teilnehmen.

Auch der Landesvorstand der Grünen ist hin- und hergerissen. Zwar mobilisert er zum Ostermarsch, will sich aber dem Aufruf der Friko nicht anschließen, weil sich dieser ausschließlich gegen die Nato richte. Teile der Grünen begrüßen hingegen genau diese Forderung und rufen daher zum Protest auf. Zwar hätten, so Landesgeschäftsführerin Kirsten Böttner, beide Positionen bei den Grünen Platz. Die Besetzung der Grünen-Zentrale in der Oranienstraße am Mittwoch nachmittag unter dem Motto „Jäger90/Die Olivgrünen“ ging Böttner dann aber doch zu weit. Die 50 jugendlichen BesetzerInnen hätten sich nicht an die Absprachen gehalten. Ihre Graffiti wie „Fischer an die Front, Grüne in die Gruft“ erinnern die Grünen nun beständig an ihren Konflikt.

Die starke Beteiligung von Jugendlichen an den bisherigen Protesten will die Kampagne gegen Wehrpflicht aufgreifen. Die antimilitaristischen Aktivisten wollen in der „breiten Gemengelage auf der Straße“ aus Angst, Antiamerikanismus, nationaler Friedensbewegung und anderen Beweggründen „mit antimilitaristischen Inhalten intervenieren“, so Frank Brendle von der Kampagne.

Eine stärkere Einsicht in die Notwendigkeit der Friedensbewegung und der Ostermärsche erhofft sich auch die Friedenskoordination aus Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften, Friedensinitiativen, Kirchengruppierungen und Vertretern verschiedener Parteien, die den Marsch traditionell organisiert. Friko-Sprecherin Laura von Wimmersperg steckt ihre Erwartungen aber nicht zu hoch: Zwar seien die Leute jetzt ansprechbarer und es würden „viele junge Leute mit tausend Ideen“ anrufen, aber „hängenbleiben nur ein paar“. So werden die Ostermärsche aller Voraussicht nach nur ein kurzes Aufflammen der Friedensbewegung bedeuten. Tobias Singelnstein

Der Ostermarsch startet am Montag um 13 Uhr an der Neuen Wache, Unter den Linden. Abschlußkundgebung ist um 15.30 Uhr am Marheinekeplatz in Kreuzberg.