Friedensarbeit als Full-time-Job

■ Die 65jährige Laura von Wimmersperg organisiert in Berlin den Ostermarsch

Die Frau mit dem weißen Haar, die hinter dem Mikrofon auf dem Breitscheidplatz steht, lächelt zaghaft, dann zögert sie. Vor ihr brüllt eine Gruppe Serben immer wieder „Jugoslawien, Jugoslawien!“ und hört nicht mehr auf. Laura von Wimmersperg atmet tief durch, dann begrüßt sie die DemonstrantInnen zu diesem „schrecklichen Anlaß“, gegen den protestiert werden soll – den Krieg in Jugoslawien.

„Das hätte auch schiefgehen können“, sagt sie ein paar Tage später in ihrem Wohnzimmer. Kurze Zeit habe sie Angst gehabt, sich gegen die Serben nicht durchsetzen zu können. „Aber das muß man aushalten.“ Lieber als öffentliche Auftritte organisiert sie im Hintergrund.

Laura von Wimmersperg ist 65 Jahre alt, pensionierte Hauptschullehrerin und Sprecherin der Friedenskoordination (Friko), eines Dachs, unter dem Initiativen vom christlichen bis zum autonomen Spektrum zusammenarbeiten. Von Anfang an ist Wimmersperg in der Friko aktiv. 1934 in Berlin geboren, wuchs sie in Breslau auf, wo der Vater, ein Nazi, als leitender Angestellter einer großen Baufirma arbeitete. „Vati ist in Auschwitz auf Geschäftsreise“, erinnert sich Wimmersperg, „das war ein häufig gesagter Satz.“ Lange aber habe sie verdrängt, was das bedeutete, bis sie in den siebziger Jahren eine Psychoanalyse machte.

Erst danach wurde sie politisch aktiv: „Das ging erst, als die Mauer in meinem Kopf fiel.“ Sie trat in die Gewerkschaft und in die Sozialistische Einheitspartei Westberlin (SEW) ein. Heute ist sie PDS-Mitglied. „Zuallererst kam aber immer die Friedensbewegung, und die ist deshalb noch lange nicht kommunistisch unterwandert.“ Wimmersperg springt auf und hastet zum Telefon. Im Augenblick ist die Friko ein Full-time-Job.

Fast 20 Jahre lang ist Wimmersperg inzwischen gegen Atomraketen und Minen, gegen den Golfkrieg, Waffenexporte und den Eurofighter aktiv, sie hat mobilisiert, demonstriert und immer wieder Briefe an Abgeordnete geschrieben. „Natürlich haben wir ganz, ganz wenig erreicht“ , gibt sie zu. „Und natürlich sind wir heute viel weniger als in den Achtzigern.“ Doch die Aktivitäten seien nun einmal wellenförmig: „Das hat man beim Golfkrieg gesehen.“ Gerade deshalb seien Leute wichtig, die die Infrastruktur der Friedensbewegung in Gang halten. „Sonst gibt es sie nicht mehr, wenn man sie braucht.“ Jetzt brauche man sie „vielleicht dringender als jemals zuvor“. Schließlich sei die deutsche Beteiligung an Nato-Einsätzen „ein gefährlicher Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte“. Was aber statt der Angriffe sinnvoll wäre, weiß auch sie nicht.

In den Arbeitsgruppen der Friko sind jeweils etwa sechs Leute aktiv, zu den monatlichen Friko-Treffen kommen mal 10, mal 40 Leute. „Aber in unserem Verteiler sind noch immer 250 Organisationen“, sagt Wimmersperg. Viele Leute seien aktivierbar. An der Tür schellt es: Eine Frau will Aufrufe zum Ostermarsch abholen, die sich im Flur von Wimmerspergs riesiger Altbauwohnung stapeln. Wichtig für das Durchhalten seien die anderen Aktiven, die sich gegenseitig stützen, und daß die Arbeit Spaß mache. „Natürlich ist das alles traurig, aber wir haben hier trotzdem schon oft ganz herzlich gelacht“, sagt sie. Ob sie in all den Jahren schon mal überlegt hat, mit der Friedensarbeit aufzuhören? „Manchmal schon“, sagt sie. Aber nicht, weil die politische Arbeit so frustig sei. „Eher weil zuwenig Zeit für andere Sachen bleibt.“ Wimmersperg malt und nimmt Klavierunterricht. Dafür ist im Augenblick keine Zeit. In der vergangenen Woche hat die Friko täglich eine Mahnwache organisiert, jetzt mobilisiert sie zum Ostermarsch. „Der wird größer als im vergangenen Jahr“, sagt Wimmersperg. „Aber freuen können wir uns darüber nicht.“ Sabine am Orde