Lernen ohne Kerle

■ Ein Frauenstudiengang in Bielefeld lockt Studentinnen in die Elektrotechnik

Eigentlich wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, Elektrotechnik zu studieren. Jetzt sitzt Isa in einem Seminarraum an der Fachhochschule (FH) Bielefeld und rechnet den Gesamtwiderstand einer Schaltung aus. Der 31jährigen gefiel die Kombination aus Elektrotechnik und Wirtschaft in dem seit Oktober neu eingerichteten Studiengang „Energieberatung und -marketing“. Noch viel mehr aber reizte sie die Zusammensetzung der Studierenden: Nur Frauen können das neue Fach studieren. Das Modell Frauenstudiengang hat sich bewährt. „Die Stimmung in den Seminaren ist gut. Die Studentinnen arbeiten intensiver mit, stellen mehr Fragen“, sagt Isa.

In Elektrotechnik sind drei Prozent der Studierenden weiblich. Das ist der geringste Frauenanteil aller Fachhochschulstudiengänge. Studentinnen werden in dieser isolierten Situation leicht zu Einzelkämpferinnen. Doch männerfreie Seminare in der neuen Fachrichtung sind ein umstrittenes Privileg, da der Fachbereich aus Personalmangel nur zwei Termine für StudienanfängerInnen anbieten kann. Die Ingenieursanwärterinnen setzten sich durch. Nun drängen sich rund 60 Männer in der einen Gruppe, während das 25köpfige Frauenteam den zweiten Termin wahrnimmt. Die Vorlesungen finden zusammen mit den Elektrotechnikstudenten zusammen statt.

Unterstütztung bekommt die Frauentruppe von ganz oben. Dekan Bernd-Josef Schumacher schlug die Einrichtung des Modellstudiengangs vor eineinhalb Jahren vor. „Wir haben Probleme, den Ingenieurbedarf der Industrie zu decken“, meint Schumacher. Fachhochschulen wie Bielefeld können es sich nicht mehr leisten, die Hälfte des Nachwuchspotentials links liegenzulassen. Zumal das Konzept für die neue Fachrichtung in der Schublade lag. Barbara Schwarze, Leiterin der Koordinierungsstelle „Frauen geben Technik neue Impulse“ in Bielefeld, hatte in einer dreijährigen Studie untersucht, wieso Frauen so wenig Interesse an den Ingenieurswissenschaften haben. Ihr Fazit: Frauen muß man in die techniknahen Fächer locken. Zum Beispiel mit einer Kombination von Technik und Wirtschaft. Wie bei dem neuen Frauenstudiengang.

Die Berufsaussichten sind günstig. Diese Perspektive und die Kombination mit wirtschaftlichen Fächern „motiviert Frauen, in die Männerdomäne Elektrotechnik vorzudringen“, sagt Schwarze. Ein ähnlicher Versuch der Fachhochschule für Techik und Wirtschaft in Ahlen, Baden-Württemberg, scheiterte vergangenes Jahr an mangelndem Interesse. Zu technisch war er ausgerichtet. Nur in Wilhelmshaven gibt es einen ähnlich erfolgreichen Frauenstudiengang.

Fazit nach dem ersten Semester? „Wir mußten erst mal darum kämpfen, daß Kenntnisse nicht einfach vorausgesetzt werden“, sagt Karin. Durch die konstruktive Kritik der Studentinnen haben einige Professoren angefangen, ihr Lehrkonzept zu überarbeiten. Eine Öffnung der technischen Fachbereiche für Frauen kann so ein fruchtbarer Impuls für die überfällige Studienreform sein. Bärbel Epp