Kommentar
: Die bündnisgrüne Parteispitze prescht vor

■ Sonderparteitag zum Kosovo-Krieg einberufen

Der Bundesvorstand der Bündnisgrünen hätte besser nicht handeln können: Mit der geräuschlos und schnell vollzogenen Entscheidung, einen Sonderparteitag einzuberufen, hat er der wachsenden Kritik am angeblichen grünen Stillhalteabkommen den Wind aus den Segeln genommen. Das Duo Radcke vom linken Flügel und Röstel von den Realos hat damit gutes Gespür für die Gemütslage der Partei bewiesen.

Schließlich waren es nicht nur linke Einsatzgegner, die in den letzten Tagen die Notwendigkeit eines Sonderparteitages befürworteten. Daß der Zeitpunkt wegen der Satzung relativ spät liegt, kann der Partei in dieser Lage nur zugute kommen. Denn ein übereilt einberufenes Treffen könnte im Sinne der Gesamtpartei leicht in einem Fiasko enden. Eine durch einen Anti-Nato-Beschluß düpierte Ministerriege – hier ist in allererster Linie Außenminister Joschka Fischer zu nennen – würde nicht nur unweigerlich das Ende der Regierungsbeteiligung bedeuten, sondern auch das Ende der grünen Partei als pluralistisches Gebilde. Ein Triumph jenes Flügels, der mit der vagen Hoffnung auf die Vernunft von Milošević verhandeln will, würde unweigerlich den Auszug der Realpolitiker zur Folge haben.

Ohne Joschka Fischer und Co. aber würden die Grünen zur Sekte mit pazifistischen Einsprengseln regredieren. Sie hätten dann zwar, Arm in Arm mit der PDS, auf den Straßen die Meinungsführerschaft. In der politischen Verantwortung auf Bundesebene aber wären sie fehl am Platz. So weit wird es nun nicht kommen: Die Grünen stecken schon zu tief mit in der Regierungsverantwortung, als daß sie ihre eigene Verstrickung durch einen Parteitagsbeschluß im nachhinein geißeln dürften.

Es wird nicht ausreichen, noch einmal das Festhalten an UN-Mandatierungen und die Kritik am Bruch des Völkerrechts zu erneuern. Mit dem Angriff der Nato sind neue Fakten geschaffen worden. Die Regularien der alten Weltordnung, allen voran die der Vereinten Nationen, sind mächtig ins Kippen geraten. Welche Rolle künftig die Nato in dieser neuen Gemengelage spielen soll, darauf wird eine grüne Partei Antworten finden müssen. Sich an alten stereotypen Feindbildern vom Aggressor Nato/USA zu erwärmen wird allenfalls noch als theatralische Umrahmung dienen. Antworten dagegen wird die Realpolitik zu formulieren haben – insbesondere bei den Bündnisgrünen. Severin Weiland