Magaths Mütze

Keine Spur mehr von Magie: Werder meldet Ambitionen auf die Zweite Liga an / Wieso sitzt der Trainer regungslos auf der Bank?  ■ Von Jochen Grabler

Der Mann hatte es schon nach dem Halbzeitpfiff geahnt: „Nie mehr“, schrie ein zornesroter Endvierziger von den Unterrängen der Südgeraden im Weserstadion nach oben. Just dahin, wo sich gerade ein käsegesichtiger Willi Lemke an der Brüstung entlangdrängelte. „Nie mehr! Nie mehr Werder!“ Ob's der Manager gehört hat – war angesichts seiner ohnehin schon durchgängigen Farblosigkeit eher nicht zu erkennen. Ob der Mann seine Drohung wahrzumachen gedenkt – man weiß es nicht. Schließlich ist gerade die Südtribüne ein Hort der Triebabfuhr für grundvergnatzte Bremer Besserverdiener, ziemlich egal, was gerade auf dem Rasen passiert. In dem speziellen Fall am sonnigen Ostersamstag muß man allerdings durchaus konzidieren: Der Mann hatte recht. Schon in der Halbzeit. Obwohl es da erst 0:2 stand.

Werder hat sich an ebenjenem Samstag in den Kreis der Mannschaften mit den allergrößten Ambitionen auf die zweite Liga gespielt. Platz 15. Noch. Gerade mal zwei Pünktchen zu den Abstiegsrängen. Von Magier Magaths Magie ist weit und breit nichts mehr zu sehen.

Das grauslige 0:3 gegen die krisengeschüttelten Tabellen-Vorletzten aus Rostock war – optimistisch betrachtet – der Tiefpunkt dieser Saison. Und der geht zuallererst eben auf Magaths Mütze. Mal nur so gefragt: Wie kann es sein, daß die Werder-Hintermannschaft eine Halbzeit lang erkennbar ohne jede Organisation wild umeinanderläuft, so daß die wahrlich nicht besonders gefährlichen Ostseekicker keine Mühe hatten, zwei Tore zu schießen? Daß der samstägliche Totalversager Jurij Maximov einen Fehlpaß nach dem anderen produzieren, ein Laufduell nach dem anderen verlieren kann – über bittere neunzig Minuten? Daß ein Kapitän wie Andreas Herzog bereits nach zehn Minuten seine Hauptaufgabe auf dem Platz im Angranteln seiner Mitspieler sehen kann und gleichzeitig so gar nicht in der Lage ist, das Mittelfeldspiel zu ordnen? Daß gleich zwei Stürmer, nämlich Marco Bode und Rade Bogdanovic, derart formschwach vor sich hinkicken können, daß dabei keine einzige Chance herausschaut? Wie ist all das möglich, ohne daß der Trainer reagiert? Obwohl doch mit Skripnik, Brand, meinetwegen Benken, Frings und Weetendorf Fachkräfte auf der Bank saßen. Schlimmer ging's sowieso nimmer. Dirk Flock hatte in der zweiten Halbzeit anstelle von Raphael Wicky sein Glück auf der rechten Außenbahn versuchen dürfen – mit ungefähr derselben Durchschlagskraft.

Nur mal so gefragt: Wieso sitzt der Trainer regungslos auf der Bank, derweil seine Kicker derart desaströs daherwerkeln? So desaströs, daß die eigene Anhängerschaft von gellender Kritik in beißenden Spott schwenkte – und wieder retour. 3:0 für Rostock? „Oh, wie ist das schön!“ Nun gut: Dieter Eilts mühte sich nach Kräften, seine eigene Rolle auszufüllen und gleichzeitig die der Herren Herzog und Maximov zu übernehmen, Bernhard Trares trieb das Spiel über die linke Flanke nach vorne, Ailton holte sich den Ball mangels Unterstützung aus dem Hinterland an der Mittellinie – aber das war's auch schon mit den grün-weißen Aktivposten. Die anderen durften sich dank Magaths Wechselunlust über die ganze Spielzeit weg blamieren so gut sie konnten.

Nach der Aufholjagd vor Jahresfrist steht Werder nun genau wieder da, wo Magath die Mannschaft übernommen hat: in der Krisenregion. Und das, obwohl der Coach reichlich Zeit hatte, mit seinen Mannen zu arbeiten. Obwohl mittlerweile mit Hune Fazlic ein Co-Trainer an Deck ist, der den Kickern Technisch-Taktisches beibiegen soll. Obwohl die Mannschaft mit dem DFB-Pokalfinale auch die UEFA-Cup-Teilnahme erreicht hat. Obwohl Marco Bode seinen Vertrag verlängert hat. Und das Wetter war auch gut. All das: ohne Effekt. Magaths Handschrift ist angesichts des fußballerischen Gekrakels der letzten Wochen kaum zu erkennen. Ein ziemlich mieses Zeugnis. Und jetzt? Muß er eh den ganz dicken Filzstift rausholen. Jetzt ist nur noch Abstiegskampf pur. Sonst kommt Oberhausen. Und dann heißt es garantiert wieder: „Nie mehr!“