Solidarität mit politischen Gefangenen: Große Worte, wenig Taten

■ Zwischen RAF und Lateinamerika finden 300 Delegierte aus 20 Ländern nur schwer eine gemeinsame Sprache

„1969 war ich das letzte Mal in Berlin. Damals bin ich hier verhaftet und, an Händen und Füßen gefesselt, in die USA geflogen worden. Bis 1984 war ich im Gefängnis, 10 Jahre davon in totaler Isolationshaft. Jetzt bin ich hier, weil ich im Knast den Wert der Solidarität schätzenlernte.“ So leitete Jo Lawson, ein ehemaliges Mitglied der amerikanischen „Black Panther Party for Selfdefense“, seinen Vorstellungsbeitrag ein. Die meisten seiner ZuhörerInnen hatten ähnliche Erfahrungen mit Knast und Repression gemacht. Lawson war einer von rund 300 Delegierten aus über 20 Ländern, die über Ostern in Berlin auf einer Arbeitskonferenz über „Perspektiven internationaler Solidarität für politische Gefangene“ diskutierten.

In sechs Arbeitsgruppen saßen junge AntifaschistInnen aus Nürnberg neben kurdischen MenschenrechtsaktivistInnen, Delegierte von guatemaltekischen Verschwundenenorganisationen neben Mitgliedern eines irischen Gefangenenkomitees. Zwar gab es viele DolemetscherInnen, trotzdem fiel es der illustren Runde nicht leicht, eine gemeinsame Sprache zu finden. Der Vorwurf des Eurozentrismus machte schnell die Runde – und wurde von den Organisatoren empört zurückgewiesen.

Die Gruppe „Libertad!“ aus dem Rhein-Main-Gebiet, bei der Vorbereitung federführend, verfolgt das Konferenzprojekt bereits seit sieben Jahren. Während sich viele der AktivistInnen, ursprünglich für die Freilassung der RAF-Gefangenen engagiert, inzwischen ganz aus der politischen Arbeit zurückgezogen haben, propagiert „Libertad!“ die internationale Ausweitung der Arbeit. „Wir haben einfach gemerkt, daß eine auf ein Land begrenzte Solidaritätsarbeit zum Scheitern verurteilt ist“, sagte die Mitorganisatorin Ursula Quarck.

Doch es gab auch Skepsis gegenüber der Aufbruchstimmung, die die Konferenzleitung verbreitete. „Ich war schon öfter auf solchen Konferenzen. Tagelang wird diskutiert, und alle Übel dieser Welt werden gegeißelt. Weil aber konkrete Vorschläge zur Umsetzung fehlen, wird sich am Ende für die politischen Gefangenen nichts ändern“, warnte eine Iranerin.

Das wollten sich die Arbeitsgruppen nicht nachsagen lassen und produzierten fleißig Vorschläge für die weitere Arbeit. So soll ein internationales Netzwerk mehr Informationen über die Situation der Gefangenen liefern. Bei akuter Bedrohung einzelner Gefangener sollen Solidaritätskampagnen in Gang gesetzt werden. Auf politischer Ebene soll ein internationaler Solidaritätstag für die Gefangenen bestimmt werden. „Nicht an Vorschlägen, sondern an Menschen, die sie umsetzen, mangelt es“, meinte ein Delegierter aus Hamburg. Peter Nowak