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Moralischer Sieg für Gen-Gegner

■ Nach der Zerstörung eines Monsanto-Feldes werden irische Aktivisten zwar schuldig gesprochen, sie gehen aber straflos aus

Dublin (taz) – 84 Jahre alt mußte er werden, um erstmals vor Gericht zu stehen: Mit sechs anderen Freisetzungsgegnern war John Seymour, der Autor der Bibel der Selbstversorger in den siebziger Jahren, „Leben auf dem Land“, angeklagt, ein Zuckerrübenfeld der Firma Monsanto in Arthurstown südlich von Dublin zerstört zu haben. In der vergangenen Woche wurden alle Angeklagten schuldig gesprochen.

Im Juni 1998 hatte Seymour an einer etwa 70köpfigen Demonstration teilgenommen, deren Ziel ein Monsanto-Feld mit gentechnisch veränderten Zuckerrüben war. Als Sicherheitsbeamte auftauchten, waren Demonstranten unter dem Stacheldrahtzaun hindurchgeschlüpft und hatten die Pflanzen zertrampelt. Die Polizei schritt ein, Monsanto reichte Klage wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung ein.

„Wenn eine Regierung nichts unternimmt, um die Bürger vor einer ernsten Gefahr zu schützen“, sagte Seymour vor Gericht, „ist es dann nicht vernünftig, selbst etwas zu unternehmen?“ Dafür nehme er auch Haft auf sich. Und er werde jederzeit wieder „versuchen, Monsanto zu stoppen“.

Ins Gefängnis muß er nach dem Schuldspruch aber ebensowenig wie seine Mitangeklagten. Keiner von ihnen habe die Tat geleugnet, sagte Richter Donnchadh O Buachalla, doch die Polizisten hätten ausgesagt, daß der Protest „ehrlich und in gutem Geiste“ war. So erkannte er auf schuldig, verhängte jedoch weder eine Haft- noch eine Geldstrafe und wies den Gerichtsschreiber an, das Urteil nicht in die Akten aufzunehmen – die Angeklagten gelten so als nicht vorbestraft.

Monsanto hatte auf 16.000 Pfund Schadensersatz geklagt. Weil in der Klageschrift jedoch von „Zuckerrüben“ die Rede war und nicht von „gentechnisch veränderten Zuckerrüben“, setzte O Buachalla den Schaden auf 30 Pfund fest. Monsanto war dennoch zufrieden. Ein Firmensprecher sagte, die Angeklagten seien der „kriminellen Sachbeschädigung“ schuldig, niemand habe das Recht, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen. Monsanto werde seine Versuche fortführen. Die Gen-Rüben seien keine Gefahr.

Die Europaabgeordnete Nuala Ahern forderte jedoch Konsequenzen aus dem „moralischen Sieg der Angeklagten“ . In vielen Teilen Europas seien solche Genversuche gar nicht mehr möglich. Mary White von den irischen Grünen sagte, die Umweltschutzbehörde müsse nicht nur die Versuchsfelder überwachen, sondern auch die Umgebung. Quentin Gargan von „Genetic Concern“ sprach nach dem Urteil von einem „Sieg für das Konzept der passiven Aktivität“. Ralf Sotscheck

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