Kommentar
: Alte Feinde, neue Verhältnisse

■ Warum man die Ostermärsche kritisieren muß

Eigentlich eine gute Nachricht: Die Ostermärsche, die nach dem Ende des Kalten Krieges schon auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet zu sein schienen, haben wieder Zulauf. Erlebt der oft zu Unrecht gescholtene deutsche Pazifismus eine Renaissance? Wenn man sich das Wochenende anschaut: kaum. In Berlin funktionierten Serben die Friedensdemonstration in eine Propagandaveranstaltung um. „Laßt unser Kosovo ganz“ und „Es gibt keinen Völkermord im Kosovo“ las man auf den Plakaten, Tschetnik-Lieder wurden angestimmt – und nebenher schlenderten arglos deutsche Friedensfreunde, die sich in ihrem Willen, Gutes zu wollen, nicht irritieren ließen.

An diesem schrillen Fehltritt erkennt man das Dilemma des deutschen Pazifismus: Wogegen, wofür demonstriert man? Die guten, alten „Nato raus aus...“-Slogans suggerieren, daß man es mit einer imperialistischen Militärmaschine zu tun hat. Doch welche dunklen geostrategischen Ziele verfolgt die Nato in diesem Krieg?

Das Problem ist ein anderes: die politische Kurzsichtigkeit der Nato, ihr dummer Glaube an effektive, schnelle militärische Lösungen. Die Vertreibungen der Albaner zu stoppen und Milošević zu schwächen – dieses Ziel der Nato-Angriffe blamiert sich derzeit an der Wirklichkeit. Den Terror des Belgrader Regimes im Kosovo haben die Angriffe nicht verursacht, aber grausam verschärft. Denn die mörderische Logik Milošević' lautet: Wenn wir die Nato-Bomber nicht erreichen, halten wir uns an die albanische Zivilbevölkerung.

Die Bilanz der humanitären Nato-Intervention ist vernichtend: ein Diktator, der seelenruhig zuschaut, wie sein Land in Trümmer fällt und seine Macht wächst, ein blutig entvölkertes Kosovo, eine Flüchtlingswelle, die auch noch überforderte Nachbarländer zu destabilisieren droht, und ein ruiniertes Völkerrecht.

Was hilft es, nun das Bild der imperialistischen Nato oder des deutschen Militarismus zu beschwören? Damit revitalisiert man alte Klischees, zu Lösungsvorschlägen kommt man nicht. Die Situation auf dem Balkan ist zu komplex für die alten Losungen. Nun müßte es darum gehen, alles zu versuchen, um das Ende des Luftkriegs gegen das Ende der Vertreibungen „einzutauschen“ – verbunden mit einem Integrationsangebot an Serbien. Aber das ist (hoffentlich) etwas für die Diplomatie – nichts für Friedensdemonstranten, die einen Gegner brauchen. Stefan Reinecke