Die Lust der Panther

■ Bei den Oldenburger Balett-Tagen zeigte das Ensemble „Lanonima Imperial“ einen Tanz jenseits des Geschlechterkampfes

Das Ziel scheint hochgestochen. Stefan Mettin, der Intendant des Oldenburgischen Staatstheaters, verspricht mit den vierten Internationalen Ballett-Tagen in seinem Haus nichts weniger als einen „Überblick über die Entwicklung der internationalen Tanzszene“. Das Versprechen scheint er diesmal einzulösen. Denn mit der neuen Ballettdirektorin Irina Pauls fügte sich tatsächlich erstmals der Auftakt mit einer hauseigenen Produktion mühelos in die internationale Reihe und war frei von diesem Hauch an Provinzialität, der in der Vergangenheit oftmals so peinlich berührte. In ihrer ersten Oldenburger Produktion „Moor“ spricht die Leipzigerin ein Bewegungsvokabular an, das in seiner zunächst verhaltenen Dynamik eine hochsensible und letztlich bilderstarke Choreographie webt. Eine Tendenz, die auch in „Cuerpo de Sombra y Luz“, der aktuellen Produktion des katalanischen Ensembles „Lanonima Imperial“, anklingt.

Choreograph Carlos Garcia hat zusammen mit der Multimediakünstlerin Paloma Navares sowie den Komponisten Joan Saura und Xavier Maristany einen sinnlichen Raum geschaffen, in dem Bewegung, Projektion, Töne und Licht zu einer schwellenden erotischen Flut verschmelzen, die einem langsam und unaufhaltsam in die Poren kriecht. Fleisch, Körper, der Torso eines Tänzers windet sich aus der Hüfte heraus – auf dem Bühnenvorhang, übergroß. Das Bild erscheint auf weiteren Häuten des Bühnenraumes, gefriert, verblaßt, und der Tänzer selbst windet sich dort, ist nackt. Eine Frau mit einem Lämpchen an der Brustwarze läuft vorbei, angezündet. Andere stehen, verwoben mit dem Bild einer Filmprojektion, die schlendernde Panther zeigt. Langsam nimmt die Gruppe den rhythmischen Pas de deux der Tiere auf, deren Gebrüll wird zum Knurren der Unterleiber, die hier jede Bewegung aus der Hüfte erstehen lassen. Menschen umkreisen einander wie Raubtiere.

Winzige, sanfte Berührungen werden zu Impulsen der Hingabe, der Unterwerfung. Körperfiguren verschwinden in Hebefiguren, lautlos fallend lösen Paarungen sich auf, um andere Konstellationen zu suchen. In diesem Versuch über die Möglichkeiten der Körper, einander zu begegnen, gibt es keine Paare. Es gibt Einzelne, die sich selbst erkunden, Zuschauende, Voyeure, die eingreifen, ablösen. Ein lustvolles Spiel auf der Klaviatur von Dominanz und Unterwerfung, Nacktheit und Verborgenem, Licht und Schatten im Raum, dem Körper und dessen Fragment. Im Wechsel von entspannter Ruhe und rasantem Begehren laden sich die Körper, lädt sich der Raum mit einer Spannung auf, die sich zu dynamischem Klingeln und Stöhnen der Klangcollage ins Orgiastische steigert. Lustvolle Möglichkeiten, jenseits des Klischees, jenseits des Geschlechterkampfes. Marijke Gerwin

Die Oldenburger Ballett-Tage dauern noch bis zum 15. April. Als nächstes Ensemble zeigt die Schweizer „compagnie drift“ heute, Mittwoch, um 20 Uhr im Kleinen Haus ihre Produktion „relache noir“. Kontakt, weitere Infos und Karten unter Tel.: 0441/22 25 111