Die Grünen – ein RentnerInnenclub?

■ Die Generationenlücke klafft: Der Graben ist gerade bei den Grünen groß / Zu lange waren die 68er „Berufsjugendliche“

Jan Fries von der Grünen Jugend-Initiative (GJI) nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die Grünen sind eine One-Generation-Partei“, sagt der Schüler ohne Umschweife. Für Fries hat Gunda Röstel das Problem treffend auf den Punkt gebracht: Die 68er nicken immer mit dem Kopf, wenn von der Jugend die Rede ist – weil sie sich noch immer selbst angesprochen fühlen. Das Image der Grünen: Alternde GenossInnen, die sich zudem ihren Falten nicht stellen?

Ein Blick in die Bremer Statistik scheint recht zu geben. Das Durchschnittsalter der Grünen Abgeordneten in der Bürgerschaft liegt derzeit bei knapp über 50 Jahren. Für die letzte Bundestagswahl wurde der 18jährige Til Stenzel nominiert – gegen die alteingesessene Kandidatin Marieluise Beck allerdings hatte er nie den Hauch einer Chance. Von den fast 600 Bremer Parteimitgliedern ist ein Drittel zwischen 45 und 55 Jahren alt, 60 Prozent sind älter als 40 Jahre. Unter 30 Jahre alt sind keine zehn Prozent. „Bei den Grünen muß einiges passieren, damit die Jugend wieder in die Partei kommt“, sagt Anja Stahmann, mit 31 Jahren zweitjüngste Kandidatin für die anstehenden Bürgerschaftswahlen im Juni.

Dabei ist der Altersschnitt der Parteimitglieder in den Monaten seit der Bundestagswahl sogar gedrückt worden. Seit September gab es eine kleine Beitrittswelle bei den Bremer Grünen. Die Hälfte der 66 Neulinge ist unter 35 Jahre alt. Also doch kein Grund zum Jammern?

Bei der Aufstellung der Kandidatenliste für die Bürgerschaftswahlen war ein ehrgeiziges Ziel verfolgt worden: Jeder zweite aussichtsreiche Listenplatz sollte mit einem neuen Gesicht besetzt werden. Das ist gelungen – doch leider heißt „neu“ nicht unbedingt auch „jung“. Unter den ersten 15 Plätzen ist ein 21jähriger, eine 31jährige und eine 33jährige. Der Rest tendiert zu grauen Haaren.

Zudem müssen ausgerechnet die Abgeordneten ihren Hut nehmen, die erst eine Legislaturperiode auf dem Buckel haben. Auf den bombensicheren Listenplätzen eins bis sechs dagegen finden sich fünf Grüne Altprofis, die jetzt zum wiederholten Mal in die Bürgerschaft einziehen wollen (Trüpel, Zachau, Linnert, Kuhn, Mützelburg). Der 21jährige Joungster Björn Fecker hingegen muß sich mit einem eher wackeligen zwölften Listenplatz abfinden, Anja Stahmann immerhin mit dem siebten Platz.

„Ich hätte mir einen generelleren Austausch gewünscht“, kritisiert GJI-Aktivist Fries. „Auch die Spitze hätte man in Frage stellen können“. Und der Fecker sekundiert: „Jugend fördern heißt auch Macht abgeben.“ Doch die Nachwuchsarbeit (das ist in der Partei unumstritten) sei jahrelang vernachlässigt worden. Ein Zufall?

Spätestens seit der Hessen-Wahl sind die Grünen alarmiert: Ein wichtiger Teil des desaströsen Wahlergebnisses ging darauf zurück, daß JungwählerInnen nicht mehr per se für die Grünen stimmen. Zwar sind die Bremer nicht so sehr von Skandalen geschüttelt wie die Hessen – eine wichtige Parallele aber gibt es: Beide Landesverbände sind wegen der langen Parlamentsbeteiligung extrem realpolitisch ausgerichtet. Damit einher gehen teilweise auch Strukturen des parteiinternen Hochdienens – wie in anderen Parteien.

In Bremen hat man das Jugend-problem erkannt, wenn auch nicht gelöst: Wahlkampf-Schwerpunkt bis Juni wird die Bildung sein. Der schulpolitische Sprecher Helmut Zachau hat Listenplatz zwei, der hochschulpolitische Sprecher Hermann Kuhn Listenplatz vier. Fecker und Stahmann – so sie gewählt werden – wollen sich verstärkt um junge Leute kümmern. Auch Jan Fries verfällt noch lange nicht in Agonie. „Den Grünen sind jugendliche Belange immer noch wichtiger als den anderen Parteien – insofern sind sie für viele Jugendliche immer noch das kleinste Übel.“ Und auf die Frage, ob die Grünen die Jugend ernst nähmen, antwortet Anja Stahmann immerhin: „Es verbessert sich.“ Christoph Dowe