Der Krieg in Kosovo geht den Genossen an die Nieren

■ SPD-Linke fordern in einer Resolution das sofortige Ende aller Kampfhandlungen

Eine Reihe von SPD-Mitgliedern hat wegen der Nato-Angriffe auf Jugoslawien das Parteibuch zurückgegeben. In der SPD-Zentrale ließ sich die genaue Zahl gestern nicht ermitteln. Im März lag die Zahl der Austritte mit 70 überdurchschnittlich hoch, erklärte SPD-Geschäftsführer Ralf Wieland. Davon sei allerdings nur ein relativ kleiner Teil mit den Nato-Angriffen auf Jugoslawien begründet worden. Andere wiederum hätten die Partei aus Enttäuschung über den Rücktritt von Oskar Lafontaine verlassen.

Doch gingen in der Parteizentrale nicht nur pazifistisch motivierte Austrittsschreiben ein, in vereinzelten Schreiben hätten Genossen die Nato-Angriffe unterstützt, weil man den Menschenrechtsverletzungen im Kosovo nicht länger zusehen könne, so Wieland. Die im Donnerstagskreis organisierte Parteilinke verabschiedete bei einer Sondersitzung kurz vor Ostern eine Resolution, die den „Angriffskrieg“ der Nato verurteilt. „Jeder Tag der Fortführung des Krieges verschlimmert die humanitäre Lage der Menschen in Kosovo und in Jugoslawien und erschwert die politische Lösung des Kosovo-Konfliktes“, heißt es in dem Papier, das von 80 Anwesenden ohne Gegenstimmen verabschiedet wurde. Der Donnerstagskreis fordert „das sofortige Ende aller Kampfhandlungen einschließlich eines Waffenstillstandes zwischen UÇK und serbischen Truppen.“ Kanzler Schröder solle als EU-Ratspräsident eine Friedenskonferenz einberufen.

Doch es gibt auch Parteilinke, die sich kritisch zu dieser Resolution äußern. „Ich hätte dem nicht zugestimmt“, sagte gestern der Spandauer Kreisvorsitzende Swen Schulz, der dem Donnerstagskreis angehört. „Man macht es sich zu leicht, wenn man jetzt einen Waffenstillstand fordert und glaubt, damit eine politische Lösung erreichen zu können.“ Das sei jahrelang erfolglos versucht worden.

Klaus-Uwe Benneter, der Sprecher des Donnerstagskreises, sagte gestern, Miloevic müsse Einhalt geboten werden, die Nato-Angriffe seien aber keine Voraussetzung für eine friedliche Lösung. „Der Konflikt geht allen an die Nieren. Viele treibt das existentiell um“, sagte Benneter gestern zur Stimmungslage in der Partei.

Nicht nur beim Donnerstagskreis, zu dessen Treffen doppelt so viele Interessierte kamen als sonst, ist das Diskussionsbedürfnis groß. Auch bei Routineversammlungen der SPD-Abteilungen ist der Krieg im Kosovo Thema. Zumindest in Spandau, so Swen Schulz, überwiege die Bewertung, daß es keine Alternative mehr zu den Nato-Angriffen gegeben habe. Ein anderes Bild zeichnet Norbert Cultus aus dem Kreuzberger Kreisverband. Hier sei die Mehrheit gegen die Nato-Angriffe, sagt der 58jährige, der „seit Jahrzehnten“ an Ostermärschen teilnimmt. „Bei uns hat es schon 'gebrannt‘, als der Bundestag im Oktober grünes Licht für einen Nato-Einsatz gegeben hat“, sagt Cultus, „gegen Miloevic muß vorgegangen werden, aber nicht mit Krieg.“ Dorothee Winden