Women only im Comicgeschäft

■ Makellose Schönschrift meets zuckersüße Regression: Die Berliner Comic-Zeichnerinnen Lilian Mousli und Evelin Höhne haben mit „XX“ ein Frauen-Comic-Magazin ins Leben gerufen

Evelin Höhnes Bildwelt ist einigermaßen verwirrend. Immerhin treffen dort Heidi, Playmobil und Manga-Comics aufeinander. Knopfäugige Wesen, zwischen Kindchenschema und juveniler Rebellion pendelnd, gehen aus der Begegnung hervor.

Sie heißen „L'experts de Fuckytown“ und sagen Sätze, die aus Wenzel Storchs Trashfilmepos „Sommer der Liebe“ in die späten neunziger Jahre gesprungen sein könnten: „Jetzt hören wir noch Italo-Singles und dann ab in die Poove und – knacken.“ Oder sie rufen einen Senator in Washington an, weil King Kong im Fernsehen gerade einen Wolkenkratzer zerstören will: „Ja, Herr Senator, der Affe trampelt ein schönes, modernes Haus kaputt ...“ Trotz all der eher bizarren Aktionen und Statements würde sich jedoch eine jede Grundschullehrerin über das Lettering freuen: makellose Schönschrift, zuckersüße Regression.

Männer in der Gastrolle zugelassen

„L'experts de Fuckytown“ ist einer der Comics, die „Fräuleinwunder“, der erste Band des Comic- Magazins XX, in sich versammelt. Das Heft wird im engagierten Berliner Kleinverlag Jochen Enterprises verlegt und von „L'experts“- Zeichnerin Evelin Höhne sowie von Lilian Mousli (u.a. „Liebe in Zeiten der Drachen“, „Das Gruselalphabet“) herausgegeben. Es setzt sich zum Ziel, ein Forum für zeichnende Frauen zu schaffen: Women only im Comicgeschäft – sieht man von dem einen männlichen Gast pro Ausgabe einmal ab. Im ersten Heft fällt die Aufgabe Jim Avignon zu, der eine Bilderfolge zum Fräuleinwunder im „hessischen Mittelgebirge“ beisteuert.

Der programmatische Ansatz von Mousli und Höhne mag ein wenig an Nischenkultur und selbstgewählten Rückzug erinnern, hat damit aber wenig zu tun. Während Vorläufer wie etwa der US-amerikanische Band „Twisted Sisters“ aus dem Jahre 1991 sich hauptsächlich mit „der weiblichen Perspektive“, so die Zeichnerin Diane Noomin im Vorwort, beschäftigten und sich an Körperbildern, Ehefrust, Mißbrauch oder Coming-out abarbeiteten, sind ein geschlechtsspezifischer Blick und die dazugehörige Themenpalette in „Fräuleinwunder“ eher unterrepräsentiert.

Ein bißchen Ohnmachtsphantasie darf zwar nicht fehlen (Charlotte Brinckmanns „Am Strand“), und auch die Idee der romantischen Liebe wird in ihre unappetitlichen Einzelteile zerlegt, wobei die Zeichnerin Kat Menschik bedenklich nah an Sujet und Stil der im Heft nicht vertretenen Anke Feuchtenberger heranrückt. Doch die meisten Bilderfolgen legen es auf Ironie und Verspieltheit an: An die Stelle bitteren Witzes tritt ein fast infantiler Spaß; statt Opferhaltungen gibt es immer wieder Bilder der eigenen Stärke (z.B. in Lisa Browns „Arbeits Rex“). Und als Dreingabe kann man sich mit „the Fräuleinwunder model-kit“ eine Limousine selber bauen. Die dazugehörigen Pappteile wurden von Minou Zaribaf („Chicanisma“) mit Rosen und Bastelanleitung versehen. Dafür muß man allerdings das Comiccover zerschneiden und neu zusammenkleben. Cristina Nord

„XX No. 1 – Fräuleinwunder“, hg. v. Lilian Mousli u. Evelin Höhne, Jochen Enterprises 1998, 44 Seiten, 9,95 DM