Wenn Neokonservatismus groovt

■ Die unauffällige und vollständige Versöhnung von Computer und Indie-Rock: Plexiq bringen jetzt das Muckertum zum Tanzen

Es finden komische Sachen statt in Clubland. Da gibt es nun also doch Bands. Auch wenn sie bestimmt nicht so genannt werden wollen, kommen sie auf die Bühne mit ganz konventionellen Instrumenten, spielen ihre Rhythmen mit der Hand und klingen irgendwie trotzdem sehr elektronisch. Die neue Versöhnung zwischen Indie-Rock und Computer geschah ebenso unauffällig wie vollständig.

Das gilt auch für Plexiq. Die Rollen bei den Hamburgern sind klar verteilt: Es gibt Sänger, Schlagzeuger, Bassist und einen Mann für die Tasten. Erfahrungen hat man gesammelt in Punk-, Hardcore- und Noise-Kapellen, aber auch bei bösen Bluesbuben wie den Lovekrauts oder Neo-Acid-Jazzern wie den Rotosonics. Für Plexiq hat man die – mal abgesehen von der fehlenden Gitarre – klassische Rockbesetzung erweitert, indem der Mixer als gleichberechtigtes Gruppenmitglied geführt wird.

Der dann für gewöhnlich sehr schnell erhobene Postrock-Vorwurf läuft in diesem Fall ausnahmsweise einmal nicht ins Leere, und zwar aus dem Grund, daß Plexiq nicht nur intern und auf einer Bühne wie eine Rockband funktionieren, sondern man das bei manchem Stück durchaus sogar hören kann.

Weil sie nicht die klassische Elektro-Schule durchlaufen haben, sondern mit richtigen Songs aufgewachsen sind, können sie den möglicherweise ja goldenen Mittelweg suchen zwischen Song und Track. Wenn sie ihn wider Erwarten doch nicht finden sollten, weil sie die Kopfarbeit lieber Kreidler und Mouse on Mars überlassen, nehmen sie sich eben ganz einfach das beste aus beiden Welten. Das allerdings reicht offensichtlich für eine ganz gute Wegstrecke.

So klingt manches auf ihrem ersten Langspieler „Bambi Dragon Don't Spit No Fire“ zwar allzu bekannt, hat aber stets eine unerwartete Brechung. In „Rubber Soul“ bricht in einen Drum-&-Bass-Rhythmus plötzlich ein ohnehin schon unpassender Refrain, der zudem auch noch verzerrt eine Punk-Attitüde nachäfft. Das sofort anschließende „Colour My Day“ beginnt mit einer nur unwesentlich verfremdeten, trotzdem immer noch recht souligen Männerstimme und wird dann sehr schnell zum trockenen Rhythmus-Geklapper.

Die Spannung zwischen den beiden Polen darf sich nicht auflösen, statt dessen wird beides zwar miteinander verbunden, bleibt aber trotzdem oft genug gleichberechtigt nebeneinander wahrnehmbar. Dasselbe Prinzip hat Roni Size bei seinen kommerziell erfolgreichsten Tracks immer gerne angewandt, doch hier ist der Mittelpunkt ganz klar Richtung Rock verschoben.

So werden eingängige Schlüsselreize von beiden Seiten zum Höranreiz für den insgesamt anspruchsvolleren Entwurf, sei es ein konventioneller Songaufbau oder ein überaus fröhlich stampfender Bläsersatz, ein flatternder Jungle-Rhythmus oder ein vehementer Breakbeat. Jederzeit scheint alles möglich, aber trotzdem wirken die Songs meist eher einen ganz kleinen Tick zu durchstrukturiert.

Und hin und wieder, so im gemütlichen „Amigo“, bricht sich altes Muckertum endgültig Bahn. Hier haben wir dann wieder eine ganz altmodische Rockballade, die nichts weiter als ein paar schüchterene Elektronik-Effekte vor dem tiefen Tal der 70er retten. Passend dazu predigen sie in Interviews die Rückkehr des Musikanten, der selber spielen kann, was andere nur programmieren. Aber solange der Neokonservatismus so nette Musik produziert, sei ihm noch mal verziehen. Thomas Winkler

Plexiq spielen heute abend in der Insel, Alt-Treptow 5