Schnelle Wertsteigerung in Tempelhof

■ Ein Grundstück verfünffachte in vier Jahren seinen Wert, bevor das Land es kaufte. Seither schleppende Entwicklung zum Gewerbegebiet . Grüne vermuten „Baufilz“

Der Senat hat auch für den Kauf eines Gewerbegrundstücks in Tempelhof möglicherweise viel zuviel gezahlt. „Zig Millionen Mark sind auf Kosten der Landeskasse verpulvert worden“, kritisierte Hartwig Berger, umweltpolitischer Sprecher der Grünen. Er vermutet „Filz und aktive Vorteilsnahme für ein mächtiges Unternehmen“.

Das Land hatte 1993 für 69,5 Millionen Mark ein 8,8 Hektar großes Grundstück in Tempelhof von dem Bauunternehmer Groth & Graalfs gekauft; der Quadratmeterpreis für die sogenannte Lüdecke-Siedlung betrug 780 Mark, wie Finanzstaatsekretär Peter Kurth jetzt in seiner Anwort auf eine Kleine Anfrage Bergers mitteilte. „Der Senat hat das Gelände zum Verkehrswert erworben, der von den zuständigen Stellen ermittelt wurde“, betont Kurth in dem Schreiben. Ein Verlust sei „nicht eingetreten“, auch wenn die Bodenrichtwerte inzwischen um etwa die Hälfte wieder gefallen sind.

Drei Jahre zuvor, Anfang 1989, hatte Groth & Graalfs nach Angaben von Berger sogar nur 12 Millionen Mark gezahlt. Der große Preiszuwachs sei „nicht erstaunlich, weil sich Anfang der 90er Jahre die Immobilienpreise auf dem Höchststand befanden“, erklärt Dirk Wildt, Sprecher der Finanzverwaltung.

Damals gab es tatsächlich eine gewisse Euphorie und explodierende Baupreise, wie Immobilienmakler und Politiker bestätigen. Trotzdem habe man sich in Tempelhof „gewundert“, warum das Land das Grundstück kaufte, sagen Personen, die mit dem Fall vertraut sind, aber nicht genannt werden möchten.

Der Grünen-Abgeordnete Berger ist sich sicher, daß „Querverbindungen“ des Unternehmers Groth eine Rolle gespielt haben. Nicht nur in der Wirtschaft sei Groth einflußreich, das CDU-Mitglied sei ein Duzfreund des Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) und sogar zeitweilig als Wirtschaftssenator gehandelt worden.

Groth & Graalfs hatte das 8,8 Hektar große Grundstück Anfang 1989 ursprünglich erworben, um dort Wohnhäuser zu bauen. In der damaligen Insellage West-Berlins kein uninteressantes Projekt. Doch nach dem Fall der Mauer wandte sich Groth & Graalfs unter anderem Wohnsiedlungen großen Ausmaßes in Karow-Nord zu. Das Grundstück in Tempelhof wollte sie abstoßen. Unter dem damaligen Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) kaufte das Land Berlin das Grundstück.

Zwar liegt der Fall schon einige Jahre zurück, doch offenbar wollte der Senat weiter Gras darüber wachsen lassen. Mehr als ein halbes Jahr mußte Berger warten, bis er vor wenigen Tagen eine Antwort auf seine Kleine Anfrage erhielt.

Zudem wurden nach Ansicht Bergers weitere öffentliche Gelder in dem erfolglosen Versuch des Senats verschwendet, auf dem Tempelhofer Grundstück ein Gewerbegebiet zu entwickeln. Anwohner wurden umgesiedelt und für etwa 1,75 Millionen Mark eine Erschließungsstraße gebaut, die – so Berger – ins Nichts führt. Zwar äußert sich die Wirtschaftsverwaltung positiv über die Entwicklung auf dem Grundstück. Dennoch haben sich bisher von den geplanten 13 Firmen bisher nur drei angesiedelt. Karen Wientgen