Warten auf Wunder

Woody Allens Komödie „Celebrity“: Das süße Leben der Schönen, der Reichen und Berühmten. Trotz sechs Analytikern und siebenundzwanzig Filmen – nichts hat sich für den Filmemacher wirklich geändert  ■ Von Brigitte Werneburg

Selbst die Manhattanites schauen erstaunt zum Himmel auf, in den sich mirakulös ein „Help“ einschreibt. Es ist aber kein Wunder, das hier statthat; nur der übliche Himmelsschreiber, der sein Werk vollführt. Denn unten in einer der Straßenschluchten Manhattans finden Dreharbeiten statt, und unter dem himmlischen Zeichen probt der Star Nicole Oliver (Melanie Griffith) gerade seinen Auftritt.

Mit diesem Auftakt zu „Celebrity“ scheint schon das Milieu auf, in das Woody Allen mit seinem neuesten Film übergewechselt ist: das des Katholizismus. Und da gibt es bekanntlich Wunder. Allens aktuelle Komödie allerdings ist keines. Wie der Film im Film bleibt „Celebrity“ am Boden; in den Straßen von Manhattan und seinen schickeren Restaurants. Hier wird Allens Heldin Robin Simon, die Judy Davis mit großartiger Nervosität spielt, selbst zur Prominenten/-Journalistin aufsteigen. Und obwohl sie von den Celebrities, die dort verkehren, angenehm überrascht ist – entdeckt sie doch nur reizende Leute –, bleibt ihre Frage, „wen wir zu unseren Berühmtheiten machen und warum“ und wie man umgekehrt „anhand ihrer Prominenten eine Menge über eine Gesellschaft erfahren kann“, am Ende unbeantwortet. Denn Allen interessiert sich nicht wirklich für sein Thema, das da die Reichen, die Schönen und die Berühmten heißt. Für ihn gilt – um sein Alter ego Harry Block aus „Harry außer sich“ zu paraphrasieren – „Jetzt bin ich sechs Psychoanalytiker und 27 Filme älter, und nichts hat sich geändert.“ Trotz des katholischen Erholungsheims, in dem sich Robin kurzzeitig aufhält, und des Fernsehpriesters, der wissen möchte, wer populärer ist, Elvis oder Jesus? (Wobei der Witz ist, daß die Beatles die Frage längst beantwortet haben.)

Es geht ihm ein weiteres Mal um die üblichen Metropolitans, die bei ihm schon immer Journalisten, Schriftsteller oder Leute aus dem Showgeschäft waren. Es geht ihm um die übliche Midlife-crisis, die bekannten Beziehungs- und Sexprobleme, zornige verlassene Ehefrauen und weitere weibliche Hysterikerinnen. Deren schönste, lebendigste und lustigste verkörpert Charlize Theron als Supermodel. Robins Ehemann Lee, den Kenneth Branagh in erschreckend perfekter Woody-Allen-Mimikry gibt, hat die große Blonde mit der Langhaarperücke auf einer Unterwäsche-Modenschau aufgegabelt. „Polymorph pervers“, wie sie sich beschreibt, kann sie einen Orgasmus haben, egal an welcher Stelle ihres Körpers man sie berührt. Doch bevor Lee, Klatschreporter bei einem Reisemagazin, das wirklich in Erfahrung bringen kann, droht ihr auch schon eine Erkältung und ihm das unumgängliche Heranschaffen von Echinacea.

Die Marotten der Supermodels. Allen kann sich gratulieren, daß Charlize Theron ihre Szenen und Stimmungswechsel so strahlend gut gelaunt und temperamentvoll über die Leinwand bringt. Böte Winona Ryder nur die Hälfte von Therons durchtriebener Leichtfertigkeit auf! Aber Ryder spielt Nola, das Barmädchen, das Lee in zwei Romanen zu seiner Heldin machte, noch bevor er sie als Filmstatistin tatsächlich kennenlernt, als trübselige und nicht als die intendierte komplizierte junge Frau. Freilich hat sie ein schweres Los, kann sie – oder will sie ? – doch nicht treu sein. Sie, die Lees Schicksal entscheidet, weil er für sie Buchparties mit Literaturnobelpreisträgern aufgibt, dazu seine neue Freundin verliert und mit ihr das einzige Exemplar seines dritten Romanmanuskripts, spielt unter Preis die zickige Schlampe.

„Celebrity“ zeigt einmal mehr die recht säkulare, eigentlich protestantische – und eben deshalb von Ingmar Bergmans Kameramann Sven Niquist auch schwarzweiß gefilmte – Pilgerfahrt des modernen Städtebewohners auf Erden. Lee Simon quält sich wegen seiner vierzig Jahre und der Frage, ob zwei gefloppte Romane und eine frühe Heirat schon alles sind, was das Leben ihm zu bieten hat; und seine Frau Robin plagt der Verdacht, sie sei eine sexuelle Versagerin. Englischlehrerin zu bleiben und geschieden zu werden, das raubt auch ihr die Lebenslust. Doch während ihr Ex-Mann seinen Weg nach unten antritt, trifft Robin auf den TV-Produzenten Tony Gardella (Joe Mantegna).

Mantegna ist nun der Glücksfall, den es nicht geben kann. Sofort von ihr angetan, charmant, aufbauend, dazu unverheiratet; was er freilich, nun da er Robin kennt, ändern will. Tony ist tatsächlich das Wunder, an das Robin selbstverständlich nicht glauben mag. Bei so viel Glück bekommt sie erst einmal ein schlechtes Gewissen. Alle ihre tollen Bekannten haben Probleme, sind einsam, und ausgerechnet ihr, die es nun wahrhaft nicht verdient, fällt dieser tolle Typ in den Schoß. Nur einmal, hier, trifft Allen den katholischen Nerv, die katholische Neurose: Lieber Gott, bewahre mich vor Erfolg! Womöglich auch in ihrem neuen Job, den Tony ihr anbietet, und wo sie nun Skinheads und Rabbies, fettsüchtige Teenagerakrobaten und Mafiosi zum nachmittäglichen Talkshow-Geplauder falsch verabredet.

Aber Wunder helfen eben, und sie traut sich langsam, ihre Chance wahrzunehmen. Sie besucht Nina (Bebe Neuwirth), die Prostituierte, die sie unter dem Motto „Working Girls born and raised in Manhattan“ in ihrer Show hatte. Der Versuch, Nina zu erklären, daß sie gerne Nachhilfeunterricht in Sachen Sex hätte, „down and dirty“, mündet in einen phantastischen, von Judy Davis hinreißend gespielten Monolog. Freilich folgt der flache Witz gleich auf dem Fuß, denn Nina muß sich bei der Demonstration eines tadellosen „blow job“ fürchterlich an der Banane verschlucken. Immerhin gelangt man so recht prompt von der einsamen Höhe des Monologs in die Niederungen des restlichen harmlosen Dialog-Pingpongs.

Denn die Jokes in „Celebrity“ sind hübsch, aber vorhersehbar. Lee, der Leonardo DiCaprio – den Allen noch vor „Titanic“ als das Superidol Brandon Darrow besetzte – unbedingt sein Drehbuch andienen will, endet dabei mit einer von Leonardos Gespielinnen im Bett. Auch sie schreibe, piepst das Groupie, und zwar „in der Art von Tschechow“. Bei so viel Überraschungslosigkeit hat man die meisten Pointen auch gleich wieder vergessen. Welche Witze Ihnen Woody Allen schon in seinen anderen Filmen immer mal erzählen wollte, aber nicht dazu kam – so ungefähr hören sich viele der Scherze an, die Allen mehr routiniert als inspiriert ans Publikum weiterreicht. Es genügt allerdings für eine Revue netter Szenen und einen einigermaßen unterhaltsamen Film.

Wenn man sich aber fragt, warum Woody Allen alias Kenneth Branagh gar so arg gebeutelt wird, dann kommt die Vermutung ins Spiel, daß Lee womöglich die aktuelle Verkörperung jenes berühmten Klatschreporters Marcello bei Fellinis „Das süße Leben“ sein soll, der in der heiligen Stadt Rom Anfang der 60er Jahre mit seinen schriftstellerischen Ambitionen hausieren ging. Mit diesem Verdacht vermißt man allerdings das Wunder, das „Celebrity“ hätte sein können, erst richtig. Doch dafür fehlt der Komödie der blasphemische oder wenigstens häretische Zug. Schließlich bewegt sich, wer sich im Umfeld des Katholizismus bewegt, in einem paradoxen Feld – denn wer ist berühmter „Abba Pater“, der gerade die Top One Hundred stürmt, oder Jesus? Der Papst scheint mit seiner Popkarriere als MC Johannes Paul II. jedenfalls ganz radikal auf das Mysterium „Celebrity“ zu setzen. Allen verhilft statt dessen dem Immobilientycoon Donald Trump, dem Modemacher Isaac Mizrahi oder der Schriftstellerin Erica Jong zu kleinen freundlichen Auftritten von hübscher Harmlosigkeit. Bei so viel Frömmigkeit aber, wie sie Allen seinem Thema und seinen Protagonisten gegenüber zeigt, hat er sich von vornherein jede Chance verdorben zu erfahren, ob Gott nicht nur ein DJ, sondern womöglich auch ein Filmemacher ist.

„Celebrity“, Buch und Regie: Woody Allen. Mit Judy Davis, Kenneth Branagh, Joe Mantegna, Melanie Griffith, Leonardo DiCaprio, Winona Ryder u.a., USA 1998, 113 Min.