„Der Skinhead-Szene Ehre gemacht“

Prozeß gegen drei Männer, die einen Obdachlosen schwer verletzten  ■ Von Elke Spanner

ZuschauerInnen haben sie keine. Niemand sitzt auf der Holzbank hinter der Trennscheibe in Saal 337 des Hamburger Landgerichtes. Keine Eltern, keine FreundInnen. Vielleicht, weil die Öffentlichkeit bisher ausgeschlossen war in dem Verfahren gegen Andreas K., Kay-Uwe W. und Matthias C. Weil es zwei Jugendliche sind und ein 26jähriger, die Anfang Dezember vorigen Jahres den Obdachlosen Manfred Klein zusammentraten und lebensgefährlich verletzten.

Alle drei sind bekennende Skinheads. Der Szene hätten sie „alle Ehre gemacht“, schrieb der 26jährige Andreas K. in einem Brief aus der Untersuchungshaft. Im Gericht tragen sie Turnschuhe, nicht die stahlkappenbesetzten Springerstiefel, mit denen sie Manfred Klein traten, immer wieder gegen den Kopf, den Bauch und mitten ins Gesicht, bis Teile des Gesichtsknochens vom Schädel absplitterten. Ein rotes Adidas-Sweatshirt trägt der eine, einen moosgrünen Kapuzenpulli ein anderer. 17 Jahre. Junge, weiche Gesichter. Ein fast hilfloser Ausdruck darin, hier im Gerichtssaal. Der Versuch, Coolness vorzutäuschen, glückt Kay-Uwe W. und Matthias C. nur solange, bis jemand mit ihnen Blickkontakt aufnimmt. Dem weichen sie aus.

Damals, auf dem Spielplatz in Bergedorf, da haben sie bestimmt, was geschah. Betrunken waren sie, alle drei. Andreas K. soll laut dem medizinischen Sachverständigen fast vier Promille im Blut gehabt haben, die anderen etwas weniger. Gefeiert hatten sie, bis die Polizei gegen ein Uhr Nachts kam und ihnen wegen des Lärms den Kassettenrekorder wegnahm. Das sahen die drei nicht ein. Sie gingen zum Revier, wollten ihn holen, kamen aber mit leeren Händen wieder raus.

Auf dem Heimweg lag der Spielplatz. Sie wußten, daß dort der Obdachlose Manfred Klein lebte. Sie gingen hin, nahmen seinen Kassettenrekorder und traten zu – einmal, zweimal, dreimal, bis K. befand: „Hört auf, der hat genug“.

Drei Jahre und sechs Monate Haft wegen gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub forderte die Staatsanwaltschaft gestern für Kay-Uwe W., drei Jahre für die anderen beiden. Der 26jährige Andreas W. will selbst nicht zugetreten haben, seine Kumpels haben im Prozeß laut der Staatsanwaltschaft „geständige Angaben“ gemacht. Die Verteidiger plädierten für die beiden 17jährigen auf Jugendstrafen zwischen ein und zwei Jahren auf Bewährung. Der Anwalt von Andreas K. forderte Freispruch. Wegen des Alkohols sei sein Mandant völlig schuldunfähig gewesen sei.

Das schwerverletzte Opfer, Manfred Klein, wurde erst acht Stunden nach der Tat von einem Passanten gefunden. Mehrmals mußte er operiert werden. Klein selbst konnte vor Gericht nicht mehr schildern, was er erlebte. Vorige Woche nahm er sich das Leben. Als das im Gerichtssaal bekanntgegeben wurde, ging man kommentarlos zur Tagesordnung über: „Der nächste Zeuge bitte.“

Das Urteil wird kommenden Mittwoch verkündet.