„Diskussion hat noch nie geschadet“

■ Andrea Frohmader, grüne Bosnien-Expertin, zum eisigen Schweigen der Bremer Grünen im Kosovo-Konflikt

Öffentliche Funkstille herrscht bei den Bremer Grünen zum Kosovo-Einsatz. Warum das so ist, fragten wir die Grüne Andrea Frohmader, ausgewiesene Bosnien-Expertin, Initiatorin der „Brücke der Hoffnung“ und Kandidatin der Grünen für die nächste Bürgerschaftswahl. Frohmader war vier Jahre lang Mitarbeiterin von MdB Marieluise Beck.

Bei den Grünen in Bremen findet eine öffentliche Debatte über den Kosovo-Einsatz nicht statt. Sehen Sie das auch so?

In gewisser Weise. Ich glaube, intern findet die Auseinandersetzung statt, aber da man so zerrissen ist, hat sie öffentlich noch nicht begonnen. Die erste Veranstaltung dazu planen wir am 15. April.

Wäre es nicht in der Tradition der Grünen, diese Zerrissenheit öffentlich auszutragen, wie es früher guter Brauch war?

Ich glaube auch, daß das nötig ist. Eigenartiger Weise – ich glaube, weil jeder selber erst seinen Standort bestimmen muß – hat das noch nicht stattgefunden. Auch mir selber geht das so. Aber die Erfahrungen von Bosnien sind ja da – und dahinter können wir nicht mehr zurück. Trotzdem bin ich von jeher Kriegsgegnerin und eine Anhängerin der Friedensbewegung.

Ist es denn nötig, daß die Grünen geschlossen auftreten?

In den Gesprächen, die ich in den vergangenen Tagen mit Parteifreunden geführt habe, wurde deutlich, daß wir alle Kriegsgegner sind. Das ist unser Konsens. Aber in Bezug auf den konkreten Natoeinsatz haben wir unterschiedliche Ansichten. Wir werden beginnen, mit dem 15.4. und dann auch im Zusammenhang mit der Landesmitgliederversammlung, eine offene Debatte zu führen. Wir werden aber wohl kaum zu einem ganz geschlossenen Meinungsbild kommen und müssen dann schauen, ob wir wie in der Bosniendebatte einfach versuchen, das so stehen zu lassen – oder ob wir einen Mehrheitsbeschluß herbeiführen.

Es gibt Grüne, die jetzt eine Spaltung der Partei befürchten. Teilen Sie diese Ansicht?

Nein. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß den Grünen eine kontroverse Diuskussion noch nie geschadet hat. Wenn man sie ehrlich austrägt, frei von Parteitaktik, und das auch so ankommt, dann denke ich, werden auch Grüne Wähler Verständnis haben.

Andere Landesverbände haben schnell eine Position gefunden. Warum nicht der Bremer?

Das bedauere ich. Für mich ist das ein Zeichen, daß man die Uneinigkeit ahnte – und den Mut nicht hatte, dieses zerissene Meinungsbild darzustellen. Ehrlich gesagt verstehe ich diese Entscheidung nicht genau.

Gegner des Natoeinsatzes argumentieren, die Natobombardements hätten die Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo forciert. Sehen Sie das auch so?

Es ist sicher, daß die Serben das Kosovo frei machen wollten von albanischer Bevölkerung, so wie die Serben das in Bosnien mit den Muslimen auch vorhatten. Die Erfahrung, die wir in Bosnien gemacht haben, zeigt, daß die Vertreibung durch die Serben von sehr langer Hand angelegt war. Milosevic hat sich außerdem immer nach den äußeren Bedingungen gerichtet. Wenn hoher Druck von außen kam, hat er immer mit hohem Druck reagiert. Denken Sie an Srebrenica. Dort wurde eine Schutzzone von UN-Soldaten bewacht – und trotzdem ist es Milosevic gelungen, innerhalb von eineinhalb Tagen 25.000 Menschen zu vertreiben und zu deportieren und 8.000 Männer, die man wenige Monate später in großen Masssengräbern gefunden hat, zu erschießen. Unsere Erfahrung ist also, wenn Milosevic einen solchen Plan gefaßt hat, ist es nur eine Frage von Zeit und Taktik, bis er ihn umsetzt. Das was jetzt geschieht, wäre, davon bin ich felsenfest überzeugt, in jedem Fall geschehen. Wir haben einmal Bosnien erlebt. Wir müssen diese Erfahrung nicht wiederholen. Es geht nicht um eine Machtausübung der westlichen Welt gegen den Balkan. Es geht hier darum, daß Muslime vor ethnischer und rassistischer Vertreibung geschützt werden sollen, gegen die Milosevic zum zweiten Mal vorgeht.

Die Intervention hat ohne UNO-Mandat stattgefunden.

Ja, das ist ein Knackpunkt und für mich auch ein Problem. Allerdings glaube ich nicht, daß es eine leichtfertige Entscheidung der NATO war. Die Folge war, daß die extremistischen Serben ungeheuer viel Zeit hatten, ihre Aktionen vorzubereiten. Denn es war ja schon im vergangenen Oktober klar, daß Milosevic seine Aktionen gegen die Kosovo-Albaner nicht zurücknehmen würde.

Wird das Zögern der Grünen die Partei Stimmen bei der Bürgerschaftswahl kosten?

Das weiß ich nicht. Ich glaube aber, daß das ehrliche Ringen auch bei den Wählern anerkannt wird.

Fragen: Christoph Dowe