Strichmännchen in den Synapsen

■ Es wird geschossen, gestorben, geblutet und gefesselt, selbst das weiße Haus weint blaue Tränen. Stefan Bohnhoff mit Young Traditionalist in der Galerie Fischer

Auf dem Titelbild der Ausstellung sitzt ein „Young Traditionalist“ auf einem Sessel und schaut ein bißchen am Betrachter vorbei ins Leere. Der Mann trägt einen gepunkteten Schlips und Anzug, die Beine hat er lässig übereinander geschlagen, auf seinen Knien liegt eine Zeitung. Beim Betrachten des 80er-Jahre-Bürstenhaarschnitts drängt sich ein Verdacht auf: Das ist nicht nur ein Traditionalist, das ist ein „Young Urban Professionalist“, ein Yuppie! Darum wahrscheinlich auch die Betonung der Uhr am Handgelenk – eine Rolex?

Vierecke: Der kleine Fünfziger-Jahre-Dreh

Weil die Figur schwarzweiß, der Hintergrund (der Sessel und die echte Tapete, auf die das Bild gemalt ist) aber farbig gemalt ist, wirkt sie viel Comic-hafter, zweidimensionaler als der Rest. Als ob sich eine Comicfigur zum Ausruhen auf einen echten Sessel gesetzt hätte. Auch die anderen Bilder spielen mit dem ungewöhnlichen Einsatz von Farbe: Vierecke in Grundfarben tauchen plötzlich auf und geben dem Bild von einer Häuserfassade einen kleinen 50er-Jahre-Dreh.

Die größeren Bilder sind meist mit ein oder zwei Farben grundiert, oft mit dicken Wachsmalkreidestrichen flächig bunt gemacht, darauf in schwarzer Tinte dann die Geschichten, die der 46jährige Künstler erzählt.

„Das süße Leben“ etwa handelt von jungen Männern mit Koteletten und Schlaghosen (Marcello Mastroianni?), die in Cafés sitzen und an hübsche Mädchen denken.

Die Mädchen sind allesamt süße Dinger mit Kurven da, wo italienische Regisseure sie am liebsten haben. Eine Cafébedienung in der Ecke des Bildes trägt ein Tablett, ein rotes Kleid mit Herzmuster und ein beeindruckendes Dekolleté. Ein anderes Bild spielt mit verschiedenen Verbrechen – es wird geschossen, gestorben, geblutet und gefesselt. Sogar die blauen Tuschewolken, die über dem Tatort – ein schwarzweißes Haus – schweben, weinen blaue Tränen.

Immer wieder erinnern die schwarzweißen, Comic-haften Figuren, die den Bildern die vielen unterschiedlichen Perspektiven geben, an ein 50er-Jahre-Benimm- Buch, etwa das „Einmaleins des Guten Tons“.

Sie sind oft steif in einer Handlung erstarrt, als ob eine Bildunterschrift gleich erklären müßte, was daran falsch ist. Dieser Perspektiventrick ist sowieso bemerkenswert: eigentlich malt Bohnhoff zweidimensionale Strichmännchen, durch das Verteilen der Figuren auf verschiedenen Hintergründen erwecken sie aber den Eindruck von Tiefe.

Das Einmaleins des guten Tons

Der Pressetext formuliert die Wirkung der Bilder als „Abziehbild eines Traumes“ – und hat recht damit. Lose zusammenassoziiert scheint man filmischen Erinnerungen zu begegnen. Bohnhoffs Arbeiten mischen sich mit den wundersamen Abenteuern, die die Gedanken manchmal auf der Reise durch die schlafende Gehirnsynapsenwelt erleben, wenn man träumt. Jenni Zylka

Stefan Bohnhoff, Young Traditionalist in der Galerie Fischer, noch bis zum 30. April immer Mittwoch bis Freitag 13 bis 19 Uhr, Samstag 11 bis 14 Uhr, Xantener Straße 20, Berlin-Wilmersdorf